OECD fordert Euro-Schutzwall in Höhe von einer Billion Euro
Stand: 28.03.2012
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Berlin/Brüssel - Nachdem die Bundesregierung sich zu einer zeitweisen Erhöhung des Euro-Schutzwalls auf 700 Milliarden Euro durchgerungen hat, fordert die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nun eine Aufstockung auf eine Billion Euro. "Die Mutter aller Brandmauern sollte in Stellung gebracht werden", so OECD-Generalsekretär Angel Gurría am Dienstag in Brüssel.
Wenige Tage vor den Beratungen der Euro-Finanzminister am Freitag kritisierte der OECD-Chef damit Deutschland, das eine Aufstockung der Notkredite allenfalls zeitweise auf 700 Milliarden mittragen will. Die Unionsfraktion im Bundestag stellte sich mit großer Mehrheit hinter den Vorschlag der Bundesregierung für eine solche Ausweitung. Aus der FDP-Fraktion verlautete, es gebe "große Geschlossenheit". Wie Koalitionskreise sagten, könnte der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM schneller mit Kapital ausgestattet werden als bisher geplant.
OECD hat kein Mitspracherecht
OECD-Generalsekretär Gurria erneuerte in Brüssel seine Forderung nach einer deutlich höheren "Brandmauer". "Wenn man mit Märkten zu tun hat, sollte man lieber über das Ziel hinausschießen", sagte er. "Wenn die Märkte 50 erwarten oder 70 verlangen - dann gib ihnen 100." Ein Mitspracherecht bei den Rettungsschirmen hat die OECD aber nicht.
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte vorgeschlagen, dass der im Juli startende dauerhafte Rettungsschirm ESM und die verplanten Nothilfen des vorläufigen Krisenfonds EFSF an Irland, Portugal und Griechenland eine Zeit lang parallel laufen. Dies bedeutet, dass das Kreditvolumen in einer Übergangszeit auf 700 Milliarden Euro steigt. Die Haftung Deutschlands könnte bis Sommer 2013 auf 280 Milliarden Euro klettern.
Die bisher noch ungenutzten EFSF-Gelder von 240 Milliarden Euro wiederum sollen eine Art Notfallreserve sein, solange der ESM nicht voll mit Kapital ausgestattet ist. Der ESM wird schrittweise bis 2015 gefüllt. Er verfügt daher nicht sofort über das volle Kreditvolumen.
Verdopplung der Bareinzahlung wird diskutiert
Unter den Euro-Ländern wird außerdem diskutiert, ob auch im nächsten Jahr - wie schon 2012 - die Bareinzahlung verdoppelt werden könnte. Dies sagten Koalitionskreise der dpa und bestätigten damit einen Bericht der "Stuttgarter Zeitung" (Mittwoch). Dies würde bedeuten, dass Deutschland nach 2012 nochmals 8,7 Milliarden Euro an Barmitteln für den ESM beisteuert.
Hintergrund ist, dass der im Juli startende Rettungsschirm ESM nur schrittweise finanziell aufgefüllt wird. Die Euro-Länder hatten sich bisher darauf verständigt, in diesem Jahr die ersten zwei von insgesamt fünf Raten Barmittel einzuzahlen. Die restlichen drei Tranchen sollten bis einschließlich 2015 eingezahlt werden.
Insgesamt geht es um Barmittel von 80 Milliarden Euro. Hinzu kommen Garantien von 620 Milliarden Euro. Damit soll sichergestellt werden, dass der ESM bis zu 500 Milliarden Euro Notkredite an klamme Länder vergeben kann. Davon stünden durch die schrittweise Einzahlung zum Start zunächst aber nur 200 Milliarden Euro effektiv bereit. Daher ist seit längerem eine schnellere ESM-Finanzierung im Gespräch.
Unstimmigkeit zwischen Regierung und Opposition
An der dauerhaften ESM-Kreditobergrenze von 500 Milliarden Euro will Deutschland weiterhin nicht rütteln. Die Opposition wirft der Bundesregierung Wortbruch vor. Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verschleierten die wahren Kosten und Risiken.
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) betonte: "Durch die höhere Brandmauer (..) ist das Risiko wesentlich geringer geworden, dass überhaupt eine Haftung einzieht." Insgesamt sei das Haftungsrisiko eher geringer geworden als höher, sagte er vor einer Sitzung der Unionsfraktion.
Abstimmung über den Fiskalpakt steht noch aus
Bei der Abstimmung des Bundestages über den europäischen Fiskalpakt treten SPD und Grüne auf die Bremse. Sie plädieren für eine Verschiebung - notfalls bis Jahresende. SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sagte nach einem Treffen der Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen, es gebe keinen übertriebenen Zeitdruck.
Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, sagte: "Für uns gibt es keine Notwendigkeit, vor Jahresende zu einer Ratifizierung zu kommen..." Andere Staaten hätten ebenfalls angekündigt, Ende des Jahres oder Anfang 2013 den Fiskalpakt national umzusetzen. Kauder erwartet dennoch eine Entscheidung bis Mitte Juni.
Die schwarz-gelbe Koalition will Ende Mai im Bundestag endgültig über den Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin abstimmen lassen. Schwarz-Gelb ist aber auf die Stimmen der Opposition angewiesen, da in Parlament sowie Länderkammer eine Zweidrittel-Mehrheit nötig ist. Die Opposition pocht auf eine Finanztransaktionssteuer zumindest in Europa oder der Euro-Zone sowie Wachstumsprogramme für Euro-Länder.
Kompromiss bei der Beteiligung des Bundestags an Euro-Hilfen
Im Streit über die Beteiligung des Bundestages an Euro-Hilfen haben sich Koalition und Opposition auf einen Kompromiss verständigt. Nach einem gemeinsamen Gesetzentwurf von Union, FDP sowie SPD und Grünen soll grundsätzlich das gesamte Plenum entscheiden.
Dies betrifft entgegen ersten Plänen auch eilige Fälle. Nur bei besonders vertraulichen Maßnahmen wie dem Kauf von Staatsanleihen auf dem sogenannten Sekundärmarkt soll ein kleines, geheim zu wählendes Sondergremium die Parlamentsrechte wahrnehmen. Bedenken des Bundesverfassungsgerichts wurden so ausgeräumt.
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