Nullzins: Wer profitiert & wer darunter leidet
Stand: 09.06.2016
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Frankfurt/Main - Schuldenmachen ist für den deutschen Staat dank Minizinsen historisch günstig. Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik "verdient" er damit sogar Geld. Für Verbraucher ist die ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) derweil eine zweischneidiges Schwert.
Belastungen durch Niedrigzinsen
Sparbuch und Co.: In Deutschland beliebte Sparformen wie Tages- und Festgeld werfen kaum noch etwas ab. Die niedrige Inflation gleiche die negativen Effekte der niedrigen Zinsen allerdings aus, betont EZB-Präsident Mario Draghi. Derzeit liege die Verzinsung minus Inflation höher als im Durchschnitt der 1990er Jahre. "Zu der Zeit hatten Sie höhere Zinsen auf dem Sparbuch, aber zugleich meist Inflation, die weit darüber lag und alles auffraß", sagte Draghi jüngst in einem Interview. Im Mai lagen die Verbraucherpreise in Deutschland nach vorläufigen Berechnungen gerade einmal um 0,1 Prozent über dem Vorjahresniveau.
Strafzinsen/Bankgebühren: Finanzinstitute müssen Strafzinsen zahlen, wenn sie Geld bei der EZB parken. Für den durchschnittlichen Privatkunden sind Strafzinsen bislang kein Thema. Man werde "alles tun, um die privaten Sparer vor Negativzinsen zu schützen - in Teilen auch zu Lasten der eigenen Ertragslage", sagte jüngst der Chef des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes, Georg Fahrenschon. Wenn die aktuelle Niedrigzinsphase aber lange andauere, würden die Sparkassen die Kunden letztlich nicht davor bewahren können. Zudem könnten Geldhäuser nach Angaben des Präsidenten des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, gezwungen sein, an der Gebührenschraube zu drehen: "Jeder muss in seiner Bank überlegen, wie er über Konditionen-Gestaltung gegen die Ertragsverluste anarbeitet, die ohne Zweifel da sind."
Altersvorsorge: Lebensversicherern fällt es immer schwerer, die hohen Zusagen der Vergangenheit zu erwirtschaften. Die Folge: Die Verzinsung des Altersvorsorge-Klassikers sinkt seit geraumer Zeit. Auch Betriebsrenten leiden, Firmen müssen wegen der Zinsschmelze immer mehr Geld für die Pensionsverbindlichkeiten zurücklegen. Viele Unternehmen versprechen bei Neueinstellungen daher keine konkreten Leistungen mehr, sondern sagen lediglich zu, einen bestimmten Betrag pro Monat in Vorsorgekassen einzuzahlen. Das Zinsrisiko tragen die künftigen Pensionäre.
Entlastungen durch Niedrigzinsen
Kredite: Verbraucher sparen bei Darlehen, ob für den neuen Fernseher oder für die eigenen vier Wände. Häuslebauer können sich zu historisch günstigen Konditionen Geld leihen. Nach Angaben des Bankenverbandes BdB sind Hypothekendarlehen mit 10 Jahren Zinsbindung derzeit zu Effektivzinsen von durchschnittlich etwa 1,4 Prozent zu haben. 2007 lagen sie noch bei mehr als 5 Prozent.
Dispozinsen: Billiger ist es auch geworden, das eigene Konto zu überziehen. Vor fünf Jahren lagen die Dispozinsen im Schnitt noch bei 11,26 Prozent. Mittlerweile sind es demnach durchschnittlich 9,51 Prozent.
Aktionäre: Seit Jahren ist günstiges Notenbankgeld der zentrale Treibstoff für die Börsen. Aktionäre können von steigenden Kursen profitieren. Zuletzt wagten sich die eher börsenscheuen Deutschen wieder stärker an den Aktienmarkt. Knapp 9,01 Millionen Menschen besaßen nach Angaben des Deutschen Aktieninstituts im vergangenen Jahr Aktien und/oder Anteile an Aktienfonds - das ist der höchste Stand seit 2012.
Der Staat: Mit der Ausgabe von Anleihen finanziert die öffentliche Hand - neben Steuereinkünften - einen Großteil ihrer Ausgaben. Am Montag fiel die sogenannte Umlaufrendite, die ein durchschnittliches Maß für die "Verzinsung" von Staatspapieren mit einer Laufzeit von drei bis 30 Jahren ist, in Deutschland erstmals seit der Gründung der Bundesrepublik in den negativen Bereich. Der Bund "verdient" in einer solchen Situation somit an seiner eigenen Schuldenaufnahme, anstatt den Gläubigern - den Käufern der Anleihen - einen Zins zu zahlen.