Null-Zins-Politik: Die Verlierer sind die Sparer
Stand: 18.04.2016
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Berlin/Washington - Die Minizinsen machen nicht nur den Sparern zu schaffen. Auch Banken und Versicherungen ächzen unter Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Postbank stellt nun sogar das kostenlose Girokonto für Privatkunden in Frage.
Postbank-Chef Frank Strauß sagte der "Welt am Sonntag", die Bank arbeite derzeit intensiv an einem neuen Preismodell, das noch dieses oder spätestens nächstes Jahr starten solle. Ob dabei das Girokonto kostenlos bleibe, könne er noch nicht abschließend sagen. Möglicherweise werde es nur noch bestimmte Konto-Dienstleistungen kostenlos geben. "Es gibt keinen Anspruch auf ein kostenloses Girokonto. Sie zahlen auch für Strom, ein Teil der Bankdienstleistung ist wie Strom eine Versorgung", sagte Strauß.
Zeit der kostenlosen Kontoführung vorbei
"Die Veränderungen im Umfeld drängen zu raschem Handeln." Die gesamte Branche werde andere Kontomodelle anbieten. "Das ist logische Folge des Niedrigzinsniveaus." Gebühren für Bargeldabhebungen von Postbank-Kunden an den eigenen Automaten könne er sich allerdings nicht vorstellen, sagte Strauß. Die Postbank mit 14,3 Millionen Kunden kassiert bereits seit einem Jahr 99 Cent für Überweisungen, die nicht online ausgeführt werden.
Wegen der niedrigen Zinsen steht die gesamte Branche unter Druck. Ein Sprecher des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV) sagte am Wochenende, Sparkassen hätten schon bisher in aller Regel keine kostenlosen Girokonten angeboten. Die Zeiten hätten sich geändert.
DSGV-Präsident Georg Fahrenschon hatte erst Mitte März gesagt: "Die Zeit von weiten Angeboten kostenloser Kontoführung ist aus meiner Sicht vorbei." Alle Marktteilnehmer müssten angesichts der "falschen Zinspolitik" der Europäischen Zentralbank (EZB) neue Ertragsquellen erschließen.
100 Milliarden Euro entgangene Zinsgewinne
Die EZB hatte den Leitzins im Euroraum im Kampf gegen Mini-Inflation und Konjunkturschwäche auf Null gesenkt. Die Zentralbank und ihr Präsident Draghi stehen deswegen seit Wochen vor allem in Deutschland massiv in der Kritik. Geschäftsbanken müssen Gebühren zahlen, wenn sie ihr Geld auf Konten der EZB parken. Sparer gehen leer aus. Andererseits profitieren unter anderem Hausbauer sowie die öffentlichen Haushalte von der EZB-Politik.
Die "Bild"-Zeitung (Samstag) berichtete unter Berufung auf Berechnungen der Postbank, die deutschen Sparer hätten wegen des Zinstiefs in den vergangenen fünf Jahren mehr als 100 Milliarden Euro an Zinseinnahmen verloren. Im Gegenzug sparten Immobilienbesitzer, die einen Kredit aufnahmen, seit 2011 rund 85 Milliarden Euro Zinskosten ein.
Söder fordert Verdopplung des Sparerfreibetrags
Der Präsident des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), Alexander Erdland, warnte angesichts der niedrigen Zinsen in der "Bild"-Zeitung vor massiven Folgen für die Altersvorsorge und forderte die EZB zu einer Umkehr in der Zinspolitik auf.
Aus der Politik kamen Forderungen nach einer Entlastung der Sparer. Der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) forderte in der "Bild am Sonntag" eine Verdopplung des Sparerfreibetrags auf Zinsen aus Sparguthaben. Der Freibetrag müsse für Zinsen aus Sparguthaben von 801 Euro beziehungsweise 1602 Euro für Verheiratete verdoppelt werden. "Das wäre ein deutliches Signal, dass sich Sparen in Deutschland noch lohnt."
Die umstrittene Niedrigzinspolitik der EZB war am Wochenende auch Thema am Rande der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington. Dabei sagten Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, sie hielten die öffentliche Debatte über die Nullzinspolitik für gerechtfertigt. Man sollte schon noch auf die schwierigen Auswirkungen für Deutschland hinweisen, die ja unbestreitbar seien, sagte Schäuble. Dies dürfe aber nicht verwechselt werden mit einer Kritik an der EZB oder gar mit Angriffen auf ihre Unabhängigkeit.
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