Neues Krisenland Spanien bereitet Finanzministern Sorge
Stand: 19.03.2012
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Frankfurt - Nach dem erfolgreichen Schuldenschnitt für Griechenland richten die Finanzmärkte ihren sorgenvollen Blick auf das neue Krisenland Spanien. Eigentlich wollte Spanien das Haushaltsdefizit im laufenden Jahr auf 6,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes senken. Am Ende lag es aber bei rund 8,5 Prozent. Das Land muss nun zusätzliche Sparmaßnahmen im Umfang von fünf Milliarden Euro umsetzen.
Der neue spanische Premierminister Mariano Rajoy hatte zunächst auf eigene Faust das Ziel für das Haushaltsdefizit im Jahr 2012 von
4,4 Prozent auf 5,8 Prozent angehoben. Die Euro-Finanzminister einigten sich allerdings am vergangenen Montag gemeinsam mit Rajoy auf ein Defizitziel vom 5,3 Prozent. Jetzt muss das Land zusätzliche Sparmaßnahmen im Umfang von fünf Milliarden Euro umsetzen. Außerdem soll das Defizit für 2013 wie bisher angestrebt auf drei Prozent gesenkt werden.
"Ein gewaltiger Kraftakt" ist erforderlich
Die Commerzbank zweifelt jedoch daran, dass diese angepassten Defizitvorgaben erfüllt werden können. "Um dieses Ziel zu erreichen, müsste Spanien das um Konjunkturschwankungen bereinigte Defizit in diesem und im nächsten Jahr um insgesamt etwa sieben Prozent des Bruttoinlandsproduktes verringern", sagte Commerzbank-Experte Christoph Weil. Dies wäre "ein gewaltiger Kraftakt".
Italien steht besser da als Spanien
Die Probleme mit dem Defizit haben dazu beigetragen, dass Spanien an den Anleihemärkten wieder negativer als das andere Sorgenkind, Italien, bewertet wird. Dies liegt allerdings weniger an den Problemen Spaniens, sondern vielmehr an dem deutlich gestiegenen Vertrauen in die italienische Übergangsregierung von Mario Monti. Zuletzt konnte Monti die Märkte mit Reformen immer stärker überzeugen. Außerdem sind die spanischen Risikoaufschläge in Folge der Defizit-Diskussion nur moderat geklettert. Die Rendite für zehnjährige Staatsanleihen von rund fünf Prozent liegt deutlich unter den Höchstständen im vergangenen Jahr und gilt auch als langfristig tragbar.
Dass die Märkte nicht stärker auf die Defizitentwicklung reagiert haben, lag zunächst an der allgemeinen Entspannung an den Finanzmärkten, zu der auch die Europäische Zentralbank (EZB) beigetragen hat. Zudem sehen auch einige Experten das etwas höhere Ziel beim Defizit positiv, da so der Druck auf die Konjunktur abgemildert wird.
Rajoy erntet Lob für die Umsetzung der erforderlichen Strukturreformen
Langfristig entscheidender sind jedoch die strukturellen Wirtschaftsreformen der neuen Regierung in Madrid. Dabei hat der erst seit Ende Dezember im Amt befindliche Premierminister Rajoy in den ersten Tagen mehr Strukturreformen umgesetzt als seine Vorgängerregierung in sieben Jahren. Vor allem die durchgreifende Liberalisierung am Arbeitsmarkt wird von Ökonomen einhellig gelobt.
Spanien hat die höchste Arbeitslosenquote in der EU
Laut Commerzbank-Ökonom Weil wird die Wirkung von Arbeitsmarktreformen oft unterschätzt. Dies zeige das Beispiel Deutschland. In Spanien dürften die Reformen am Arbeitsmarkt erst 2014 bis 2015 ihre positive Entwicklung entfalten. Spanien hat mit 22,85 Prozent die höchste Arbeitslosenquote in der EU. Mehr als fünf Millionen Menschen sind derzeit ohne Job. Besonders Jugendliche sind von der hohen Arbeitslosigkeit betroffen.
Angesichts der großen Mehrheit der regierenden Volkspartei (PP) im Parlament ist der Reformprozess auch im Gegensatz zu Griechenland, wo Neuwahlen drohen, politisch nicht gefährdet. Die Gewerkschaften reagierten relativ zurückhaltend auf die Reformen. Zwar ist für den 29. März ein Generalstreik angekündigt. Angesichts der bisherigen Erfahrungen rechnen Beobachter allerdings nur mit einer geringen Beteiligung, die sich vor allem auf den öffentlichen Dienst konzentrieren dürfte.
Spaniens Haushaltssystem krankt
Ein Problem stellt für Rajoy jedoch die große Bedeutung der Regionen dar. Verantwortlich für das verfehlte Ziel beim Haushaltsdefizit im vergangenen Jahr war nicht der spanische Zentralstaat, sondern die Regionen. Die Schwierigkeit der Regionalregierung, die Zielvorgaben aus Madrid zu erfüllen, liegt im Haushaltssystem Spaniens begründet. Die Regeln bieten kaum einen Anreiz, die Konsolidierungsbemühungen voranzubringen, zumal beim Übertreten der Ziele kaum Konsequenzen zu befürchten sind. Allerdings gibt es auch hier Hoffnung. Insgesamt 11 der 17 Regierung werden vom PP, der Partei von Rajoy, regiert. Die Einflussmöglichkeiten könnten daher wachsen.
Zudem ist die Staatsverschuldung Spaniens nicht besonders hoch. Die Krisenländer der Eurozone werden oft als hoch verschuldet bezeichnet. Auf Spanien trifft dies jedoch so nicht zu. So liegt der Schuldenstand von derzeit rund 70 Prozent des Bruttoinlandsproduktes unter dem von Deutschland mit etwas über 80 Prozent und ist damit der niedrigste der Eurokrisenländer. Auch die kommenden mageren Jahre dürften die spanische Schuldenquote nicht allzu stark steigen lassen.
Sie dürfte sich laut Ökonomen bei rund 85 Prozent einpendeln.
Spaniens Konjunktur bleibt unter Druck
Trotz der Reformfortschritte dürfte die Unsicherheit über die weitere Entwicklung Spaniens zunächst anhalten. Die Konjunktur wird unter Druck bleiben, da die zusätzlichen Sparmaßnahmen das Wirtschaftswachstum belasten dürften. So erwartet die Commerzbank erst Ende 2013 eine nachhaltige Konjunkturerholung. Die Wirtschaft sollte den Experten zufolge um 1,7 Prozent schrumpfen und die Arbeitslosigkeit weiter steigen. Spanien muss alles tun, um das Vertrauen der Märkte zu behalten. Bisher gelingt es dem Land gut. So konnte es sich am Donnerstag erneut zu günstigen Bedingungen refinanzieren. Premierminister Rajoy bewertet auch das Entgegenkommen der Finanzminister beim Defizitziel daher als "Vertrauensbeweis".
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