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Negativzinsen: Darum sind die Verwahrentgelte umstritten

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa/tmn

Zinsen fürs Ersparte bekommen Kundinnen und Kunden schon lange nicht mehr. Stattdessen erheben immer mehr Geldinstitute Negativzinsen. Das Berliner Landgericht hat entschieden, Verwahrentgelte seien ungültig. Doch die Banken pochen weiterhin darauf, dass Negativzinsen unumgänglich seien. Ist das nur ein Bluff?

Eigentlich ist das Geschäft einfach: Sparerinnen und Sparer legen ihr Geld bei der Bank an und bekommen dafür Zinsen. Doch das funktioniert so schon lange nicht mehr. Denn in der Niedrigzinsphase müssen die Geldinstitute seit 2014 für ihre Einlagen bei der Europäischen Zentralbank ein Verwahrentgelt zahlen.

Aktuell liegt dieser Negativins bei minus 0,5 Prozent. Diese Kosten geben inzwischen immer mehr Geldhäuser an ihre Kundinnen und Kunden weiter: 414 Institute zählt Verivox derzeit (Stand 23.11.)

Gericht hält Negativzinsen für unzulässig

Allerdings regt sich inzwischen Widerstand: Verbraucherschützer bezweifeln zunehmend, ob dieses Vorgehen rechtens ist. Einen Etappensieg erzielte der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) vor dem Landgericht Berlin. Die Richter entschieden: Ein Verwahrentgelt auf Giro- und Tagesgeldkonten benachteiligt Kunden unangemessen und ist unzulässig (Az.: 16 O 43/21).

Die beklagte Bank berechnete 0,5 Prozent pro Jahr auf Einlagen über 25.000 Euro bei Girokonten und über 50.000 Euro bei Tagesgeldkonten. «Die Verwahrung von Einlagen auf einem Girokonto ist aber keine Sonderleistung, für die eine Bank ein gesondertes Entgelt verlangen kann», sagt David Bode, Rechtsreferent beim vzbv.

Der Grund: «Wird auf einem Girokonto kein Geld verwahrt, können Zahlungsaufträge nicht durchgeführt werden - dabei ist ein Girokonto ja für die Zahlungsabwicklung da», so Bode. Die Verwahrung sei eine «Nebenleistungspflicht, die nicht bepreist werden könne».

Zudem wirtschafte ein Geldinstitut auch mit den Einlagen seiner Kundinnen und Kunden. «Insofern handelt es sich bei Einlagen auf einem Tagesgeldkonto nicht um echte Verwahrung», sagt David Bode.

«Im Grunde ist der Kunde Darlehensgeber, das heißt die Bank muss ihm einen Zins zahlen und nicht umgekehrt.» Der Einlagen-Zinssatz könne zwar auf Null sinken, aber niemals ins Minus rutschen. Dem Kunden müsse mindestens der Betrag bleiben, den er eingezahlt habe.

Banken halten am Verwahrentgelt fest

Aus Branchensicht gibt es an Negativzinsen derzeit keinen Weg vorbei: «Die jahrelange Null- und Negativzinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) hat die Marktbedingungen grundlegend geändert», erklärt die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) auf Nachfrage.

Banken und Sparkassen verzeichneten seit Längerem steigende Einlagevolumina. Rentierlich anlegen lasse sich dieses Geld aber kaum. Im Gegenteil: Die Institute müssten darauf unter anderem die Bankenabgabe zahlen und regulatorisch erhöhte Sicherungsmittel zurücklegen. Hinzu kämen die Verwahr- und Abwicklungskosten.

Die nicht benötigte Liquidität der Banken lande auf deren EZB-Konten. Hierauf müssten die Banken einen negativen Zins zahlen. Nach Abzug des gewährten Freibetrags haben die Banken laut DK im Euroraum für diese Überschussliquidität allein im September fast 1,5 Milliarden Euro Negativzinsen an die EZB gezahlt. «Die schrittweise Weitergabe dieser Kosten an die Einlagenkunden ist nach unserer Einschätzung ausschließlich ein betriebswirtschaftliches Kalkül.»

Wieviel Negativzinsen zahlen die Banken wirklich an die EZB?

Prof. Hartmut Walz, Finanzökonom an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen, hat an dieser Erzählung allerdings seine Zweifel. «Viele Banken argumentieren, die Negativzinspolitik der EZB würde sie gerade zwingen, die Kosten an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben», sagt Walz. «Das ist aber nur die halbe Wahrheit.»

Der Grund: «Auf die Überschusseinlagen bei der EZB erhalten die Geldinstitute einen großzügigen Freibetrag in Höhe der sechsfachen Mindestreserve.» Da diese Mindestreserve seit Längerem bei einem Prozent der gesamten Einlagen liegt, seien sechs Prozent auf dem EZB-Konto für die Bankhäuser strafzinsfrei.

Lagere eine Bank weniger als diese sechs Prozent bei der EZB, müsse sie gar keine Negativzinsen zahlen. «Kein Institut zahlt wirklich Minus 0,5 Prozent Strafzins an die EZB», sagt Prof. Walz. «Realistisch sind eher tatsächliche Kosten der Geschäftsbanken zwischen 0,01 und maximal 0,15 Prozent.» In der Kommunikation komme das aber kaum vor.

Ökonom: Minuszinsen nur Druckmittel

Dafür spielen Verwahrentgelte im direkten Kundengespräch immer öfter eine Rolle. «Minuszinsen werden als Druckmittel eingesetzt», so der Finanzökonom. «Wenn Kunden bestimmte Verträge nicht abschließen, wird ihnen mit Strafzinsen gedroht.» Die Angebote seien für Kunden oft teuer oder unpassend, bescherten den Banken aber Provisionen. Verbraucher sollten Vorschläge deshalb gut prüfen und im Zweifel eine neue Bank suchen.

Eine Ausweichmöglichkeit können nach Ansicht der Verbraucherzentrale Hamburg Sparkonten sein. Das Geld ist ähnlich schnell verfügbar und sicher angelegt. Auch dürften Geldinstitute eigentlich kein Verwahrentgelt für Sparguthaben verlangen. Denn Spareinlagen seien - wie Tagesgeldkonten - im Grunde Darlehensverträge.

«Kundinnen und Kunden gewähren der Bank ein Darlehen und erhalten dafür einen Zins», erklären die Verbraucherschützer. Müssten die Inhaber der Sparkonten nun für das von ihnen gewährte Darlehen zahlen, werde der Zweck eines Sparvertrages ad absurdum geführt.

Weitere Klagen gegen Banken

Ob die Verbraucherschützer recht haben, wird bald das Landgericht Frankfurt am Main klären. Dort ist eine Klage der Verbraucherzentrale Hamburg wegen Negativzinsen auf Sparguthaben anhängig. Auch der vzbv hat noch vier Gerichtsverfahren offen. Und gegen das Urteil des Landgerichts Berlin wurde Berufung eingelegt.

Verwahrentgelte vermeiden

Kunden können Negativzinsen oft vermeiden. Dazu könnten sie ihr Geld zum Beispiel auf mehrere Konten verteilen, um unter den Freibetragsgrenzen zu bleiben, rät die Stiftung Warentest. Alternative ist, einen Teil des Geldes woanders zu parken. Vor allem ausländische Banken bieten Tagesgeldkonten an, bei denen es für täglich verfügbare Gelder sogar noch etwas Zinsen gibt.

Viele Angebote sind ausschließlich über Zinsportale erreichbar. Bei Auslandsbanken mit Sitz in der EU sind bis zu maximal 100.000 Euro gesetzlich geschützt. Aber auch wer sein Geld lieber bei einer Bank mit deutscher Einlagensicherung parken will, findet derzeit noch Angebote ohne Strafzinsen.