Mini-Inflation: Wem sie nutzt und wem sie schadet
Stand: 11.12.2015
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Frankfurt/Main - Die Verbraucherpreise in Deutschland sind 2015 nur um 0,2 Prozent gestiegen. Sprit und Heizöl sind sogar deutlich günstiger als noch vor einem Jahr. Für wen ist die Mini-Inflation gut, wem schadet sie?
PRO
Verbraucher: Zu den großen Gewinnern des mageren Preisauftriebs gehören die Konsumenten. Denn Hauptauslöser der Entwicklung ist das Absacken der Ölpreise. So sparen Verbraucher im Vorjahresvergleich beim Tanken und Heizen Geld. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann erklärt: "Niedrigere Ölpreise verringern die Energiekosten der privaten Haushalte und der Unternehmen. Dadurch werden finanzielle Mittel frei, die anderweitig, zum Beispiel für Konsum- und Investitionszwecke oder zur Reduzierung des Schuldenüberhangs, eingesetzt werden können."
Arbeitnehmer und Rentner: Wenn Einkommen wie Tarifgehälter, Renten oder Sozialleistungen schneller steigen als das Preisniveau, können sich die Menschen mehr für ihr Geld leisten. Denn von höheren Einkommen bleibt real - also nach Abzug der Teuerung - mehr im Portemonnaie. Auch wenn die Teuerung 2016 anziehen dürfte, rechnet Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erneut mit steigenden Realeinkommen: "Die Löhne legen um deutliche drei Prozent zu, die Inflation ist niedrig und die Konsumenten geben ihr Geld auch wegen der niedrigen Zinsen bereitwillig aus." Renten dürften 2016 stärker steigen als Löhne.
Unternehmen: Wie die Verbraucher profitieren Unternehmen von der günstigen Energie. Das drückt die Produktionskosten. Zugleich steigt die Nachfrage zumindest nach Konsumgütern tendenziell, wenn eine niedrige Inflationsrate mit sehr niedrigen Sparzinsen zusammenfällt: Die Verbraucher haben wenig Anreize, Geld auf die hohe Kante zu legen. Also geben sie es lieber aus.
Konjunktur: Die Talfahrt der Ölpreise schiebt die deutsche Wirtschaft an. 2015 war der Konsum wichtigster Impulsgeber für den Aufschwung. Das dürfte 2016 nach Commerzbank-Einschätzung anhalten: "Dass wir für die deutsche Wirtschaft trotz der Probleme der Schwellenländer noch ein Plus von 1,3 Prozent prognostizieren, liegt in erster Linie am privaten Verbrauch." Die Kauflust veranlasse zudem Unternehmen zu Einstellungen. Das lasse den Konsum steigen - höhere Zinsen, die diesen Prozess stoppen könnten, seien nicht in Sicht.
Kreditnehmer: Wegen der Mini-Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) den Leitzins fast auf null Prozent gesenkt. Das drückt die Zinsen, die Banken von Privatleuten und Unternehmen für Kredite verlangen. Baugeld ist derzeit extrem günstig. Nach Zahlen der FMH Finanzberatung sind Hypotheken mit zehn Jahren Laufzeit aktuell im Schnitt für 1,54 Prozent Zinsen zu haben. Vor einem Jahr waren es noch 1,71 Prozent, vor zwei Jahren 2,61 Prozent, vor fünf Jahren 3,59 Prozent. Auch Staaten können sich am Markt günstiger frisches Geld besorgen, das entlastet indirekt die Steuerzahler.
KONTRA
Deflationsgefahr: Die EZB sieht Preisstabilität bei einer Inflationsrate von knapp unter 2,0 Prozent. Davon ist die Teuerung seit Monaten meilenweit entfernt. Notenbanker warnen daher vor einer möglichen Deflation. Darunter verstehen Ökonomen einen Teufelskreis aus sinkenden Preisen, niedrigeren Gewinnen und schrumpfender Nachfrage, weil Verbraucher und Unternehmen Anschaffungen und Investitionen aufschieben. Denn es könnte ja bald noch billiger werden. Eine geringe Nachfrage kann weitere Preissenkungen zur Folge haben, die Wirtschaft friert ein. Ein solches Szenario sieht Bundesbank-Präsident Weidmann aktuell jedoch nicht: "Entscheidend ist, dass von den rückläufigen Ölpreisen eher Wirtschaftsimpulse für den Euroraum ausgehen, als dass sie Vorboten einer Deflation wären."
Sparer: Seit Herbst 2014 liegt der Leitzins im Euroraum bei 0,05 Prozent. Das wirkt sich auch auf Einlagenzinsen bei der Bank aus: Tagesgeld und Sparkonto werfen fast nichts mehr ab. Wer Abstriche bei der Altersvorsorge vermeiden will, muss also mehr Geld zurücklegen - oder etwa in Aktien investieren und damit größere Risiken eingehen.
Schuldner: Inflation knabbert bestehende Schulden weg, weil der reale Wert der Schuld durch die Teuerung sinkt. Ohne Preisauftrieb wird der Schuldenabbau also schwerer, wie EZB-Vizepräsident Vítor Constâncio erklärt. Und das könnte die Gefahr von Pleiten erhöhen - für Privatleute, Unternehmen und Staaten.