Millionenbetrug mit Euro-Schrottmünzen
Stand: 31.03.2011
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Frankfurt/Main - Die Bundesbank soll mit der Wiedereinführung bereits vom Markt genommener, verschrotteter Euro-Münzen um rund sechs Millionen Euro betrogen worden sein. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main erließ gegen sechs Tatverdächtige Haftbefehl. Bei einer Razzia im Rhein-Main-Gebiet und in Fulda wurden am Mittwoch zehn Wohnungen und Firmen durchsucht, wie Oberstaatsanwältin Doris Möller-Scheu am Donnerstag erklärte.
Die Behörde bestätigte einen Bericht der "Bild"-Zeitung, wonach die Beschuldigten über Komplizen tonnenweise verschrottete Euro-Münzen aus China nach Deutschland wiedereingeführt haben sollen, um sie bei der Bundesbank als angeblich beschädigte Münzen umtauschen zu lassen. Vermutet wird, dass die Bande die bereits voneinander getrennten Pillen aus Kupfernickel und Ringe aus Messing der Münzen wieder zusammensetzte. Die Einzelteile seien wahrscheinlich schon in Europa getrennt und als Münzschrott nach China verkauft worden, sagte Möller-Scheu.
Die Staatsanwaltschaft geht von einer Menge von 29 Tonnen an Ein- und Zwei-Euro-Münzen aus, die zwischen 2007 und November 2010 unrechtmäßig wieder eingeführt wurden. "Die Bundesbank tauscht als einzige Nationalbank in Europa kostenfrei beschädigte Münzen ein und erstattet den vollen Wert derselben", erklärte Möller-Scheu.
Nur stichprobenartige Kontrollen bei Umtausch
Die Täter machten sich demnach wohl auch zunutze, dass die umzutauschenden Münzen in einen speziellen Beutel gefüllt werden müssen, deren Inhalt durch Wiegen und per Augenschein nur stichprobenartig kontrolliert werde. Diese sogenannten Safebags seien im Internet erhältlich und normiert für Ein- oder Zwei-Euro-Münzen im Wert von jeweils 1.000 Euro.
Bei der Razzia fand die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben neben schriftlichen Unterlagen und Computern rund drei Tonnen Münzteile und eine Maschine zum Zusammensetzen der Münzen. Gepfändet worden sei bisher eine Million Euro, sagte Möller-Scheu.
Die Razzia fand nach Angaben der "Bild"-Zeitung unter anderem in Räumen der Bundesbank und der Lufthansa statt. Die wieder zusammengesetzten Münzen oder die einzelnen Teile sollen nach bisherigem Ermittlungsstand von vier Flugbegleitern nach Deutschland gebracht worden sein. Deren Reisegepäck unterliege keiner Gewichtseinschränkung. Die vier Flugbegleiter sollen die Münzen dann zur Bundesbank zum Umtausch gebracht haben und zum Teil mit gültigen Münzen vermischt haben, um bei Kontrollen besser zu bestehen.
Stewardess mit übermäßig schwerem Gepäck
Die Ermittlungen begannen im April 2010, wie Möller-Scheu sagte. Die Fahnder seien bei Geldwäscheermittlungen auf die Bande gestoßen. Später sei eine Stewardess am Frankfurter Flughafen mit ihrem aufgrund der Euro-Schrottmünzen übermäßig schweren Gepäck aufgefallen. Gegen sie und weitere Verdächtige werde noch ermittelt.
Vier der sechs Verhafteten seien chinesischer Herkunft, sagte Möller-Scheu. Sie seien zwischen 28 und 45 Jahre alt. Ihnen werde Betrug und Inverkehrbringen von Falschgeld zur Last gelegt.
Ein Tatverdacht gegen Mitarbeiter der Bundesbank bestehe nicht. Ein Sprecher der Lufthansa bestätigte, dass sich die Ermittlungen gegen einzelne Mitarbeiter der Fluggesellschaft richten. Dabei handle es sich um Flugbegleiter.
Bundesbank verteidigt Umtausch- und Einzahlpraxis
Die Bundesbank verwies angesichts der laufenden Ermittlungen auf die Staatsanwaltschaft. Ein Sprecher betonte, in die Entwertung der Münzen und die Metallverwertung sei die Bundesbank nicht einbezogen.
Die Bundesbank teilte zudem mit, sie tausche nicht als einzige europäische Zentralbank beschädigte Münzen zum Nennwert um. Seit 11. Januar gelte jedoch eine neue EU-Verordnung, wonach nur noch "durch den normalen Gebrauch beschädigte Münzen" umgetauscht würden. Alle anderen würden ersatzlos eingezogen. Für die Verordnung auf EU-Ebene habe sich die Bundesbank jahrelang stark gemacht, sagte eine Sprecherin.
Die Bank verteidigte die Praxis des Umtauschs von Münzen in Safebags. Diese seien als Verpackung im Kassenverkehr der Bundesbank zugelassen, da beschädigte Münzen für Automaten nicht geeignet seien. Diese manuell zu bearbeiten, bedeutete einen "erheblichen Arbeitsaufwand". Große Münzmengen durch Wiegen zu kontrollieren, empfehle auch die Europäische Kommission. Da bei der Bundesbank in ihren 47 Filialen jährlich rund 70.000 Tonnen an Münzen eingezahlt würden, seien die von der Betrügerbande eingereichten 29 Tonnen in drei Jahren nicht besonders ins Gewicht gefallen.