Mehr Steuern für Reiche? - Fragen und Antworten
Stand: 01.09.2011
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Berlin - Ausgelöst durch die Forderung prominenter Manager etwa aus den USA nach einer "Reichensteuer" ist die Debatte über eine stärkere Belastung Vermögender in Deutschland wieder in aller Munde. Auch mehrere Euro-Länder wollen eine stärkere Belastung einführen, um die Schuldenkrise endlich in den Griff zu bekommen. Einige deutsche Unternehmer, Millionäre und Prominente reihen sich ein.
Ist der jüngste Vorstoß deutscher Millionäre ein Novum?
Nein. Vor zwei Jahren - mitten in der Wirtschaftskrise - hatten sich 23 "Reiche" für eine Vermögensabgabe in Deutschland stark gemacht. Menschen mit einem Gesamtvermögen von mehr als einer halben Million Euro sollten fünf Prozent an den Staat zahlen - befristet für zwei Jahre. Dann sollte eine Vermögensteuer folgen. 2005 gab es eine ähnliche Idee - sie ging nach kurzem Medienecho aber wieder unter.
Ab wann gilt man eigentlich als "reich"?
Eine Definition für Reichtum gibt es nicht. Auch ist dies - wie so vieles - relativ. Zudem muss unterschieden werden zwischen gefühltem Reichtum oder gefühlter Ungerechtigkeit und der Realität. Der Durchschnittsverdienst eines Arbeitnehmers liegt in Deutschland bei rund 30 000 Euro. Die Hälfte der 26,6 Millionen Steuerpflichtigen hatte nach aktuellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes im Jahr 2007 Einkünfte von bis zu 29 000 Euro. Aber nur ein Prozent hatte mehr als 206 000 Euro, 10 Prozent hatten mehr als rund 73 400 Euro.
Wie ist denn die Vermögensverteilung?
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht von einem Nettovermögen in Deutschland von 9,3 Billionen Euro. Das umfasst Immobilien, Geldvermögen, Versicherungen, Betriebsvermögen oder auch Vermögen in Form wertvoller Sammlungen. Dieses Vermögen ist in Deutschland allerdings höchst ungleich verteilt. So besitzen die vermögendsten 10 Prozent der Bevölkerung nach Angaben des DIW gut 66 Prozent des Gesamtvermögens. Die obersten ein Prozent, also die Allereichsten, verfügten über knapp ein Viertel.
Wie viele Millionäre und Milliardäre gibt es hierzulande?
Nach Angaben des "Manager-Magazins" gibt es in Deutschland gut 100 Milliardäre - sowohl Einzelpersonen als auch Familien. Angeführt wird die Liste der Superreichen vom Aldi-Clan. Trotz Wirtschaftskrise und Börsenturbulenzen ist auch die Zahl der Deutschen, die über ein Nettovermögen von einer Million Euro und mehr verfügen deutlich gestiegen. Nach dem jüngsten "World Wealth Report 2011" von Merrill Lynch und Capgemini gab es 2010 in Deutschland 924 000 solcher Wohlhabender. Das waren 7,2 Prozent mehr als im Jahr davor.
Und wie seht es mit "Einkommensmillionären" aus?
Auch deren Zahl nahm kraftig zu. Laut Statistischem Bundesamt gab es im Jahr 2001 insgesamt 12 504 Steuerzahler mit Einkünften von einer Million Euro oder mehr. 2007 waren es schon 16 681. Die meisten kamen aus Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.
Werden Top-Verdiener und "Reiche" zu wenig belangt?
Eine oft übersehene Tatsache ist jedenfalls, dass sich der Staat einen großen Teil seiner Einnahmen aus der Einkommensteuer gerade von den Top-Verdienern holt. Die "Reichen" tragen damit auch den Löwenanteil bei der Umverteilung von "oben nach unten".
Womit wird diese Aussage denn belegt?
Mit Zahlen des Statistischen Bundesamtes. Danach entfielen 2007 auf das oberste Zehntel der Einkommensbezieher fast 55 Prozent des gesamten Steueraufkommens. Fast ein Viertel (23,9) des Aufkommens ging auf die 1 Prozent Einkommensreichsten zurück. Dagegen zahlt die untere Hälfte nur 7 Prozent des Steueraufkommens.
Sprechen diese Zahlen gegen eine höhere Besteuerung?
Aus Sicht von SPD, Grünen, Linken, Gewerkschaften und manchen Unternehmern und Millionäre nicht. Es geht vor allem um einen höheren Spitzensteuersatz bei der Einkommensteuer und eine Rückkehr zur Vermögensteuer, die Ende 1996 in Deutschland ausgesetzt wurde. Zurzeit liegt der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent, er gilt ab einem zu versteuernden Jahreseinkommen von 52 882 Euro. Hinzu kommt die "Reichensteuer" von 45 Prozent ab 250 001 Euro (Ledige). Die Sätze könnten angehoben werden oder früher greifen. Kritiker sprechen von "Symbolpolitik", die Budgetlöcher ließen sich so kaum stopfen.
Und was brächte eine höhere Vermögen- und Erbschaftsteuer?
Anhänger erwarten von einer Wiederbelebung Einnahmen von 10 Milliarden Euro. Im Jahr 1996 spülte sie umgerechnet etwa 4,6 Milliarden Euro in die Staatskassen. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) warnt vor erheblichem Aufwand mit wenig Nutzen für den Fiskus. Machbar wäre eine Wiederbelebung durchaus, da es im Zuge der Erbschaftsteuerreform ein Bewertungsmodell gibt, wie es das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte. Die Erbschaftsteuer ist bisher trotz großer Vermögen auch nicht die große Einnahmequelle: Die Länder könnten 2011 wohl nur mit 4,7 Milliarden Euro rechnen.