Läutet die Fed heute die Zinswende ein?
Stand: 17.09.2015
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Washington/Frankfurt - Heute findet nach der Sitzung des Offenmarktausschusses der US-Notenbank eine Pressekonferenz statt, in der die Fed-Chefin Janet Yellen Stellung beziehen muss. Die Augen der Finanzwelt ruhen auf ihr. Denn selten waren Ökonomen so gespalten, ob die Federal Reserve den seit der Finanzkrise 2008 geltenden, faktischen Nullzins anheben sollte. Börsianer weltweit halten den Atem an. Die wichtigsten Fragen im Überblick.
Warum sind die Zinsen mit null bis 0,25 Prozent überhaupt so niedrig?
Mit den Niedrigzinsen hatte die Fed auf die Finanzkrise von 2008 und die folgende Rezession reagiert. Niedrige Zinsen treiben Unternehmen zu mehr Investitionen und Verbraucher zu mehr Käufen. Wenn sie sich billig Geld leihen können, geben sie auch mehr Geld aus. Das beflügelt die Konjunktur.
Was spricht dann überhaupt dafür, die Zinsen anzuheben?
Zum einen sind Zinserträge für viele Menschen neben dem Gehalt eine wichtige Einnahmequelle. Zum anderen können zu niedrige Zinsen gefährliche Exzesse zum Beispiel bei Immobilien- oder Aktienpreisen hervorrufen und die Inflation in die Höhe treiben. Befürworter einer Zinsanhebung - etwa um 0,25 Prozentpunkte - verweisen auf ein mittlerweile robustes US-Wachstum und die sinkende Arbeitslosenquote, die mit 5,1 Prozent nahe am Zielwert der Notenbanker liegt. "Die Fed muss die Zinsen der Realität anpassen", meint David Folkerts-Landau, Chefvolkswirt der Deutschen Bank. "Zu niedrige Zinsen führen zu Vermögensblasen, die später platzen und die Banken in Not bringen können", sagt der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn.
Und was meinen die Gegner der Zinswende?
Die Gegner betonen, dass die wirtschaftliche Erholung noch nicht robust genug sei. Sie fürchten, dass wichtige Investitionen ausbleiben könnten, wenn Kredite für Firmen und Hauskäufer teurer werden. "Es gibt viel versteckte Arbeitslosigkeit, eine realistischere Quote läge wohl bei fast zwölf Prozent", sagte der amerikanische Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz der "Wirtschaftswoche". Hinzu kommen Alarmsignale an den asiatischen Börsen. Anleger warnen bereits vor weiteren Turbulenzen an den Aktienmärkten. Die Schwellenländer könnten unter einer Zinserhöhung leiden, wenn Investoren wegen der attraktiveren US-Zinsen ihr Kapital abziehen. Der Internationale Währungsfonds (IWF) warnte kürzlich Notenbanken weltweit vor voreiligen Zinserhöhungen.
Und wenn die Fed alles beim Alten belässt?
Dann wird eine Zinserhöhung im Dezember, von der schon jetzt die meisten Beobachter ausgehen, noch wahrscheinlicher. Hinweise darauf dürfte auch die neue Wachstumsprognose der Fed geben, die am Donnerstag zusammen mit der Zinsentscheidung veröffentlicht wird. In jedem Fall wird Fed-Chefin Yellen sich bei der Pressekonferenz harten Fragen stellen müssen und genau auf ihre Wortwahl achten, um Vertreter beider Lager zu besänftigen.
Zieht die EZB die Zügel ebenfalls bald an?
Nein. Die Europäische Zentralbank (EZB) wird die Geldschleusen noch lange weit geöffnet und den Zins nahe der Nulllinie lassen. Tatsächlich hat EZB-Präsident Mario Draghi gerade erst weitere Lockerungsmaßnahmen im Kampf gegen die mickrige Inflation angekündigt: "Wir haben den Willen und die Fähigkeit zu reagieren, falls dies notwendig ist." Denn die Notenbanker rechnen im laufenden Jahr nur mit einem Anstieg der Verbraucherpreise um 0,1 Prozent im Euroraum. Die EZB strebt mittelfristig aber eine "gesunde" Teuerungsrate von knapp unter zwei Prozent an. Sollte diese Rate auf Jahre unerreichbar erscheinen, könnten die Währungshüter ihr milliardenschweres Programm zum Kauf von Staatsanleihen und anderen Vermögenswerten im Umfang ausdehnen oder zeitlich strecken.
Was würde eine Zinserhöhung in den USA für Europa bedeuten?
Steigen die Zinsen in den USA, aber nicht in Europa, dürfte der Dollar gegenüber dem Euro an Wert gewinnen. Das hat Folgen, die Europas Geldpolitikern durchaus gelegen kommen: In Dollar gehandelte Importe wie Rohstoffe werden im Euroraum teurer, das stärkt den Preisauftrieb. Zugleich werden europäische Produkte auf den Weltmärkten günstiger. Das schiebt den Export und die Konjunktur in der Eurozone an. Das spielt auch deutschen Exporteuren in die Karten, die dank der Euroschwäche ohnehin auf ein Rekordjahr zusteuern. ING-Diba-Ökonom Carsten Brzeski sagt über das jüngste Exportplus: "Der schwache Euro war ganz klar ein besonderes Konjunkturpaket."