"Kursrakete des Tages" - Wie seriös sind Aktieninfos im Netz?
Stand: 29.07.2011
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Düsseldorf - Das Internet ist heute oft die wichtigste Anlaufstelle, wenn es um Informationen über Aktien geht. Von verschiedenen Kennzahlen über Nachrichten bis zu Analysteneinschätzugnen finden Anleger hier alles, was früher nur Börsen-Profis zugänglich war. Doch eine Kaufentscheidung sollte nicht auf nur einer Quelle basieren. Besondere Vorsicht ist bei anonymen Tipps in Foren oder Communities geboten.
Besonders geeignet ist das Internet, um sich zunächst mal Basis-Daten über einen bestimmten Wert zu besorgen. "Wer sich einen Überblick über die Kennzahlen einer Aktie verschaffen möchte, kann die Wertpapierkennnummer (WKN) oder Wertpapieridentifikationsnummer (ISIN) beispielsweise beim Online-Auftritt einer deutschen Börse eingeben", sagt Ralf Scherfling, Experte für Geldanlage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. "Ähnliche Informationen liefern auch verschiedene Finanzportale oder Online-Broker."
Auf diesen Seiten kann man sich unter anderem über den aktuellen Kurs, über Unternehmensdaten oder die Höhe der Dividendenausschüttungen informieren. Marc Tüngler, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf, empfiehlt vor allem die Portale OnVista, Ariva und Finanztreff: "Das sind die Seiten, an denen man nicht vorbeikommt."
Nach Erfahrung von Roland Aulitzky, Redakteur der Zeitschrift "Finanztest", kann man sich aber nicht unbedingt immer auf die Informationen der Portale verlassen. "Der allererste Klick sollte auf die Website des jeweiligen Unternehmens gehen", empfiehlt der Experte. "Das sind gesicherte Informationen."
"Da würde ich mich niemals auf die Informationen von Dritten verlassen"
Hier kann sich der Anleger im Investor-Relations-Abschnitt unter anderem über Kennzahlen der Aktie informieren, wie Aulitzky erläutert: "Wobei die Tiefe und Qualität der von den Unternehmen zur Verfügung gestellten Informationen sehr unterschiedlich ist." Dennoch rät auch DSW-Geschäftsführer Tüngler dazu, sich zunächst auf der Seite des Unternehmens zu informieren. "Da würde ich mich niemals auf die Informationen von Dritten verlassen."
Viele Portale liefern auch Daten über die Wertentwicklung eines Wertpapiers. Meist kann man den Kursverlauf für einen beliebigen Zeitraum als Kurve abrufen. Besonders komfortabel ist hier nach Angaben von Aulitzky der Informationsbereich des Online-Brokers Comdirect. Allerdings sollte man bei Charts grundsätzlich vorsichtig sein, warnt Verbraucherschützer Scherfling: "Aus der Entwicklung in der Vergangenheit darf man nicht einfach auf die Entwicklung in der Zukunft schließen."
"Es sind auch viele Experten unterwegs"
Viele Finanzportale bieten auch Foren, in denen Nutzer sich Tipps geben oder über die mögliche Entwicklung bestimmter Papiere austauschen können. Hierbei ist aber Vorsicht geboten. "Empfehlungen in einem Forum sollten auf keinen Fall alleiniges Kriterium für eine Anlageentscheidung sein", sagt Scherfling. "Die dort wiedergegebenen Meinungen können mir aber Hinweise liefern, in welchen Bereichen ich noch Informationen benötige. Und sie können einen Überblick darüber geben, wie eine Aktie von anderen bewertet wird."
Interessant kann das nach Meinung von Aulitzky vor allem bei Biotech- und Technologie-Werten sein, über die man sonst nur schwer Informationen bekomme. "Es sind auch viele Experten unterwegs." Oft würden etwa Mitarbeiter der jeweiligen Firma ihr Wissen preisgeben. Gleichwohl sollten auch solche Tipps nicht der alleinige Grund sein, eine Aktie zu kaufen.
"So ein Forumsbeitrag kann immer nur eine Idee sein", sagt auch Tüngler. "Man sollte immer die Quelle prüfen." Oft seien Beiträge in einem Forum interessengeleitet, um etwa den Kurs eines Werts in die Höhe zu treiben. Auch er rät daher, eine Entscheidung nie allein auf eine solche Empfehlung zu stützen.
Vorsicht ist auch bei Analysten-Einschätzungen geboten. Auf Finanzportalen ist nämlich in der Regel nur eine kurze Zusammenfassung mit der Kauf- oder Verkaufs-Empfehlung zu lesen. "Das darf niemals Grund für eine Anlageentscheidung sein", sagt Tüngler. "Entscheidend ist, wie der Analyst zu der Einschätzung gekommen ist." Er rät interessierten Anlegern daher, bei ihrer Depotbank die komplette Studie anzufordern.
Allerdings liegen auch namhafte Investment-Banken und Analysten-Häuser bei ihren Einschätzungen oft daneben, wie eine Studie der Finanzplattform sharewise.com belegt. Dafür wurden insgesamt 6649 Empfehlungen ausgewertet. Nur bei knapp der Hälfte lagen die Analyse-Profis richtig. Am häufigsten entsprachen die Einschätzungen der BHF-Bank der späteren Kursentwicklung. Große renommierte Häuser wie JP Morgan, Goldman Sachs oder die Citigroup landeten hingegen nur im Mittelfeld der Test-Rangfolge.
Statistiken von Analysten-Empfehlungen zu Rate ziehen
"Finanztest"-Redakteur Aulitzky rät Privatanlegern denn auch eher davon ab, sich auf einzelne Analysten-Empfehlungen zu verlassen. Er empfiehlt, die Statistiken von Analysten-Empfehlungen zu Rate zu ziehen, die einige Finanzportale anbieten. Hier kann man nicht nur sehen, wie viele Analysten den Kauf empfehlen oder zum Verkauf raten. Oft lässt sich sogar das durchschnittliche Kursziel aller Analysten-Empfehlungen abrufen.
Ob Nachrichten, Kennzahlen oder Empfehlungen - über einen Mangel an Informationen über Aktien braucht sich heute eigentlich kein Anleger zu beschweren, meint Aulitzky: "Irgendwie findet man im Web alles, wenn man lange genug sucht."