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Klagewelle gegen Bausparkassen geht in die nächste Runde

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Stuttgart - Im Dauerstreit zwischen Anlegern und Bausparkassen liegen inzwischen erste schriftliche Beschlüsse höherer Instanzen vor. An diesem Mittwoch (30. März) will sich das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart äußern - es ist die erste mündliche Verhandlung auf OLG-Ebene, dem Urteil kommt damit besondere Bedeutung zu. Ein Überblick über den Stand der Dinge bei einem Thema, das Tausende Sparer betrifft.

Worum geht es?

In den 80-er und 90-er Jahren lockten Bausparkassen Kunden mit Guthabenzinsen von bis zu fünf Prozent - die Institute brauchten Geld, um es als Darlehen weiter zu vergeben. Das Geschäft boomte. Als die Zinsen gegen null sanken, legten viele Sparer jedoch ihr Recht auf ein Bauspardarlehen auf Eis - solche Kredite gab es inzwischen häufig günstiger als Einzelkredite außerhalb des Bausparvertrags. Die Guthabenzinsen wurden für die Bausparkassen zu finanziellem Ballast. Also kündigten die Institute Verträge, die mindestens zehn Jahre zuteilungsreif waren - 200 000 solcher Kündigungen gab es 2015.

Wie ist die rechtliche Lage?

Nicht alle Kunden ließen sich das gefallen - viele zogen vor Gericht. Es gibt inzwischen etwa 200 Urteile. In 90 Prozent der Fälle bekamen die Bausparkassen Recht, nur in 10 Prozent setzten sich die Verbraucher durch - das zumindest behauptet der Verband der Privaten Bausparkassen. Doch die Lage ist unübersichtlich, zentral erfasste Daten einer objektiven Stelle gibt es nicht. Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass eine solche Statistik die Zahl der Vergleiche und somit De-Facto-Niederlagen für Bausparkassen nicht enthalte.

Was ist der juristische Knackpunkt?

Aus Sicht der Bausparkassen findet durch den Verzicht auf das Darlehen eine Zweckentfremdung des Bausparvertrags zur reinen Kapitalanlage statt. Sie berufen sich auf den Paragrafen 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), demzufolge Darlehensnehmer zehn Jahre nach vollständigem Empfang einer Leistung kündigen dürfen. In der Sparphase sehen sich die Finanzinstitute als Darlehensnehmer, da sie ja Geld der Sparer bekommen und hierfür Zinsen zahlen.

Aus Sicht von Verbraucherschützern und Bausparern greift der strittige Paragraf 489 im Bürgerlichen Gesetzbuch hingegen nicht. "Der Paragraf wurde zum Schutz von Verbrauchern gegenüber Banken eingeführt und nicht umgekehrt", sagt Anwalt Thomas Basten, der sich 2015 in einem Verfahren vor dem Landgericht Stuttgart gegen die Bausparkasse Wüstenrot durchsetzen konnte.

Und selbst wenn sich ein Institut darauf berufen dürfte, so wäre der Paragraf nicht anwendbar, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Denn nur weil ein Vertrag seit zehn Jahren zuteilungsreif sei, sei damit nicht die vollständige Leistung empfangen worden, also die gesamte Auszahlung des Darlehens - schließlich gingen die Einzahlungen der Sparer ja weiter, das Darlehen wachse an. "Der Zeitpunkt der Zuteilung ist irrelevant", so Nauhauser. Anwalt Basten sagt zudem, die Bausparkassen begründeten ihre Kündigung auch mit der Annahme, die Sparer wollten das Darlehen gar nicht mehr in Anspruch nehmen. "Vielleicht wollen Sparer das in Zukunft ja doch machen, das ist also Spekulation."

Wie ist die Situation an Oberlandesgerichten?

Nach der Klageflut an Amts- und Landgerichten sind nun auch Oberlandesgerichte am Zug, etwa in Hamm, Celle, München und Stuttgart. Nach Auskunft des Verbandes Privater Bausparkassen gab es bisher 24 schriftliche OLG-Entscheidungen, alle zugunsten der Kassen. Es zeichne sich "ein immer eindeutigeres Bild ab", sagt Wüstenrot-Sprecher Immo Dehnert.

Am OLG Celle wurde kürzlich entschieden, dass das Kündigungsrecht der Bausparkassen legitim ist. Es lägen noch weitere Verfahren mit ähnlichem Sachverhalt vor, sagte eine Sprecherin. Zwar sei jedes Verfahren ein Einzelfall. "Wenn es aber um gleiche Rechtsfragen mit den gleichen Tatsachen geht, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Gericht an seiner Rechtsauffassung festhält."

Ist schon eine Vorentscheidung gefallen?

Nein, entschieden ist noch nichts. Denn irgendwann dürfte das Thema beim Bundesgerichtshof (BGH) landen, der die Sache noch drehen könnte. Dass der BGH den Bausparern Recht gibt, wäre aus Sicht der Hohenheimer Juraprofessorin Christina Escher-Weingart möglich, schließlich habe es vor Gerichten und in Fachaufsätzen unterschiedliche Urteile und Meinungen gegeben.

Escher-Weingart hält die Kündigungen aber für legitim. Beim Bausparen gehe es auch um den Solidargedanken, dass es also Sparer und Darlehensnehmer unter den Bausparkassen-Kunden gebe. Gebe es nur Sparer, werde das Kollektivkonzept unterhöhlt. Der Abschluss einer langfristig verzinsten Geldanlage sei immer auch "eine Wette auf die Zinsentwicklung der Zukunft". Diese Wette haben die Altvertrags-Kunden gewonnen und daraus seit vielen Jahren Gewinne eingefahren - dass dies ewig so weitergehe, sei keineswegs Bestandteil der Wette gewesen, so die Juristin.

Aber: Sollten Bausparkassen mit hochverzinsten Daueranlagen geworben haben, wäre das etwas anderes - dann hätten die Sparer aus Sicht der Professorin bessere Chancen, in Karlsruhe Recht zu bekommen.