Kapitalmärkte: Anleihen gehen langsam zurück zur Normalität
Stand: 26.05.2017
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Frankfurt – Eine weitere US-Zinserhöhung im September um 25 Basispunkte scheint immer wahrscheinlicher. Zu Tage gebracht hat dies laut Analysten das Protokoll der jüngsten Federal Reserve Ratssitzung. Bei ausbleibenden negativen Überraschungen sei demnach schon bald der Zeitpunkt für eine weitere geldpolitische Verschärfung gegeben. Wann hingegen weitere Zinsschritte folgen, ist nach Auffassung der HSBC noch offen.
Bilanzsumme soll schrumpfen
Ebenfalls im September werde die Zentralbank der Vereinigten Staaten vermutlich Einzelheiten über die Reduzierung der Wertpapierbestände preisgeben. Dass die Bilanzsumme schmelzen soll, habe Notenbankchefin Janet Yellen bereits in der vorherigen Sitzung angedeutet. Nun gehe es darum, ab wann und wieviel der auslaufenden Anleihen nicht mehr reinvestiert werden. Im Gespräch sei eine Obergrenze, um die vom Markt zu nehmenden Anleihen zu begrenzen. "Dabei wollen die Währungshüter mit einer geringen Summe starten – denkbar ist ein Volumen im Bereich von 2 bis 5 Milliarden US-Dollar – die dann schrittweise nach oben angepasst wird." Die Geschwindigkeit der Ausweitung hänge wohl von den künftigen Reaktionen an den Kapitalmärkten ab. Ebenso werde die weitere Leitzinsanhebung aller Voraussicht nach davon getrieben sein, wie Anleger und Konjunktur auf die Reduzierung der Bilanzsumme reagieren.
Europäische Notenbank hat keine Eile
Folge man den jüngsten Äußerungen europäischer Währungshüter, so scheint sich die Notenbank mit dem Schließen der Geldschleusen nach wie vor Zeit zu lassen. EZB-Chefvolkswirt Praet und EZB-Vizepräsident Constâncio seien zwar mit der aktuellen konjunkturellen Entwicklung durchaus zufrieden. Anzeichen für eine stärkere globale Erholung sowie eine Zunahme des internationalen Handels würden deshalb in die im Juni überarbeiteten Forward Guidance – so bezeichnet man die EZB-Kommunikationsform hinsichtlich der längerfristigen geldpolitischen Ausrichtung – mit einfließen. Gleichzeitig habe Praet auf den verhaltenen Preisdruck durch mangelndes Lohnwachstum im Euroraum verwiesen, während Vitor Constâncio ein zu frühes Zurückfahren des geldpolitischen Stimulus angemahnt habe. Vor diesem Hintergrund rechnet die HSBC erst im ersten Quartal 2018 mit weiteren Maßnahmen. "Entsprechende Diskussionen dürften in den kommenden Wochen aber deutlich zunehmen."
Anleger bleiben entspannt
Das Geschäft mit Anleihen beschreiben Rentenhändler als tendenziell ruhig und uneinheitlich. "Bonds in brasilianischen Real fanden in beiden Richtungen Beachtung", registriert Gregor Daniel von der Walter Ludwig Wertpapierhandelsbank. Nach den jüngsten Korruptionsvorwürfen gegen Brasiliens Staatspräsidenten Michel Temer habe Standard & Poor's die Bonität des Landes unter verschärfte Beobachtung gestellt. Das könne zu einer Herabstufung der Kreditwürdigkeit führen. "Generell scheinen Anleger derzeit relativ unerschrocken", bemerkt Arthur Brunner von der ICF Bank. Die erstmals seit 1989 erteilte schlechtere Note für China durch Moody's hätten Investoren schnell abgehakt.
Auswirkungen auf Bonds chinesischer Unternehmen möglich
Nach Einschätzung von Charles de Quinsonas vom M&G Emerging Markets Bond Fund könnte dieser Schritt aber durchaus Auswirkungen auf die Kurse von Corporate Bonds haben. Die überdurchschnittlich guten Benotungen chinesischer Staatsfirmen fußten in der Regel auf den als solide geltenden Eigentümern, auch wenn sie selbst häufig hoch verschuldet seien. "Im Lichte der neuen Bewertung könnten Investoren sich in Zukunft stärker auf die Fundamentaldaten des einzelnen Emittenten konzentrieren." In diesem Fall sieht Quinsonas Abwärtsrisiken für chinesische Unternehmensanleihen.
Schuldenschnitt für Griechenland in Sicht
Dass Anleger eher auf Risiko gepolt sind, erkennt Brunner auch an der gelassenen Reaktion auf die Diskussionen hinsichtlich der Auszahlung der Hilfsgelder für Griechenland. Der Internationale Währungsfond (IWF) hatte zunächst seine finanzielle Beteiligung an einem Schuldenschnitt für Athen festgemacht, da es nicht erkennbar sei, wie Griechenland sonst aus der Krise kommen soll. "Früher hätte das Hin und Her am Markt verunsichert." Mittlerweile deute Vieles auf eine Einigung. Ein mögliches Szenario: Der IWF bleibt im Boot, im Gegenzug prüft Finanzminister Schäuble Schuldenerleichterungen für Griechenland – allerdings erst im kommenden Jahr, wenn die Bundestagswahl abgeschlossen ist. Der Bundesregierung sei die IWF-Teilnahme wichtig, weil dieser in der Regel ein Mindestmaß an Disziplin einfordere.