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IWF: Internationale Finanzmärkte am Rande des Kollapses

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Tokio - Kurz vor seiner Jahrestagung in Tokio hat der Internationale Währungsfonds (IWF) deutliche Worte gewählt: Die Euro-Schuldenkrise kann die globalen Finanzmärkte zum Einsturz bringen. "Das Vertrauen ins Weltfinanzsystem ist sehr brüchig geworden", so der IWF in einer neuen Analyse. Die am Donnerstag startende Tagung in Tokio wird überschattet von Chinas Boykott gegen den Gastgeber Japan.

Das geringe Tempo bei der Stabilisierung des Bankensektors und den nötigen Reformen habe eine gefährliche Kapitalflucht aus Europas Krisenstaaten begünstigt. "Es droht eine böse Abwärtspirale", sagte der Chef der IWF-Kapitalmarktabteilung, José Viñals, bei der Vorstellung des Berichts am Mittwoch in Tokio.

Chinas führende Finanzvertreter bleiben der Tagung fern

Die Jahrestagung des Währungsfonds Ende der Woche in der japanischen Hauptstadt wird vom Streit zwischen China und Japan um eine Insel im Ostchinesischen Meer überschattet. Der chinesische Notenbankchef Zhou Xiaochuan und Finanzminister Xie Xuren sowie die vier größten chinesischen Banken boykottieren das Treffen in Tokio angesichts der Spannungen. Von chinesischer Regierungsseite nehmen nur Chinas Vizezentralbankchef Yi Gang und Vizefinanzminister Zhu Guangyao teil. Ein Sprecher der japanischen Regierung bedauerte das Fernbleiben der führenden chinesischen Finanzvertreter.

Im Vorfeld würdigte der Währungsfonds zwar wichtige Fortschritte der europäischen Gesetzgeber in der Schuldenkrise, doch sei "die Agenda entscheidend unvollständig", heißt es im Globalen Finanzstabilitätsreport der Institution. Das verängstige Investoren und fördere die Angst vor dem Zerfall der Währungsunion und einen Rückgang der Wirtschaftsleistung. Allein aus Spanien hätten Anleger bis zum vergangenen Juni binnen eines Jahres fast 300 Milliarden Euro abgezogen und aus Italien mehr als 230 Milliarden. Das Geld fließe in stabilere europäische Länder in vermeintlich sichere Häfen wie den USA und Japan.

IWF warnt vor Kreditklemme in Europa

Konsequenz sei eine finanzielle und ökonomische Spaltung zwischen den armen und reichen Ländern der Eurozone, die extrem ungewöhnlich für eine Währungsunion sei, sagte Viñals. Die Entwicklung könne zu einer neuen Kreditklemme in Europa mit globalen Folgen führen. Im schlimmsten Fall müssten die Großbanken der Eurozone ihre Bilanzen insgesamt zwischen 2,8 und 4,5 Billionen Dollar verkürzen. Die Kreditvergabe in den Krisenländern könnte dadurch bis Ende 2013 um 18 Prozent sinken und dort massive Einbrüche der Konjunktur auslösen - mit Risiken für das Weltfinanzsystem und das globale Wachstum.

Der IWF rief die Europäer eindringlich auf, die Lösung der Krise noch entschiedener voranzutreiben. Der Finanzsektor müsse weiter saniert werden, neue Sicherungsinstrumente wie der Euro-Krisenfonds ESM auch wirklich genutzt und die europäische Bankenunion mit einer gemeinsamen Einlagensicherung möglichst bald geschaffen werden. "Die Wahl besteht heute darin, die nötigen aber harten Entscheidungen zu treffen, oder sie noch einmal in der falschen Hoffnung zu verzögern, dass die Zeit auf unserer Seite ist", sagte Viñals.

Zugleich warnte der Währungsfonds auch die USA und Japan, sich wegen der Kapitalzuflüsse durch Privatinvestoren und niedriger Zinsen in falscher Sicherheit zu wähnen - und deswegen die gleichen Fehler zu machen wie Europa. Beide Länder müssten ihre überbordenden Staatsschulden schnell in den Griff bekommen und Ungleichgewichte im Finanzsektor reduzieren. Auch die eigentlich gut aufgestellten Schwellen- und Entwicklungsländer sollten sich noch besser gegen Schocks im globalen Finanzsystem wappnen. "Niemand ist immun gegen den Druck, der aus Europa und den USA kommt", sagte Viñals.