Hintergrund: Wie Real- und Finanzwirtschaft zusammenhängen
Stand: 09.08.2011
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Berlin - Real- und Finanzwirtschaft sind untrennbar miteinander verknüpft. Ihre Unterscheidung ist lediglich ein theoretisches Konstrukt zur Abgrenzung von Geld- und Güterströmen. Ein Beispiel für die enge Verknüpfung der beiden Sektoren ist etwa die Volkswagen Bank - ein Finanzinstitut, dessen wichtigste Aufgabe die Finanzierung von Autokäufen ist und das damit die VW-Produktion stützt.
Real- und Finanzwirtschaft sind vor allem über drei Bindeglieder miteinander verbunden. Zum einen über den Zinskanal. Unternehmen und Privatleute nehmen Kredite auf, um sich etwa Maschinen, Kühlschränke oder Immobilien zu kaufen. Auch Staaten leihen sich bisweilen Geld. Zur Verfügung stellt ihnen diese Darlehen die Finanzwirtschaft, die dafür Zinsen verlangt. Wird der Sektor durch Ereignisse wie die jüngsten Börsen-Turbulenzen oder die Sorge um die Staatsfinanzen in den USA und Europa erschüttert, dann schreckt die Branche jedoch vor Risiken zurück.
Banken verlangen dann etwa höhere Zinsen oder schränken die Vergabe von Krediten ein. Dies belastet die Konjunktur, da Unternehmen und Privatleute dann wegen der höheren Darlehenshürden auf Investitionen oder Anschaffungen verzichten. Die daraus resultierende rückläufige Nachfrage kann zu einer steigenden Arbeitslosigkeit führen und weitere negative Folgen für die Gesamtwirtschaft nach sich ziehen. Ein Beispiel dafür ist die Finanzkrise, die im Jahr 2007 ihren Ursprung in den USA genommen hatte. Die aus ihr hervorgehende Kreditklemme zwang zahlreiche Unternehmen in die Knie, Millionen Menschen wurden arbeitslos. Die Politik steuerte in vielen Ländern mit Konjunkturpaketen gegen.
Sensibles Vertrauensverhältnis
Zum zweiten sind Real- und Finanzwirtschaft über einen Stimmungskanal miteinander verbunden. Schieflagen an den Kapitalmärkten beeinflussen auch die Stimmung der Verbraucher. Die Turbulenzen verunsichern die Menschen, die aus Sorge um ihr Geld den Gürtel enger schnallen und ihr Geld beisammen halten.
Eine Blockade im Kreditfluss ist zudem gleichbedeutend mit einem Vertrauensverlust aufseiten von Wirtschaft, Verbrauchern und Staaten. Die Finanzbranche kommt ihrer Aufgabe - der Versorgung mit Kapital - nur noch unzureichend nach. In den Grundfesten erschüttert wurde das Vertrauen der Verbraucher zuletzt durch die hoch spekulativen Geschäfte der Branche, die als Mitauslöser der Krise gelten.
Das dritte Verbindungsglied ist der Vermögenskanal. Talfahrten an den Aktienmärkten, die mitunter irrational scheinen, erschüttern nicht nur die Finanzbranche, sondern vernichten auch Vermögen.
Allein in den vergangenen Tagen haben Anleger wegen der Kursrutsche an den weltweiten Börsen mehrere Billionen Euro verloren. Dies schränkt sie in ihren Investitionsmöglichkeiten ein und kann sich somit ebenfalls negativ auf die Konjunktur auswirken.
Experten rätseln über Crash-Folgen
Welche Auswirkungen die derzeitigen Börsenturbulenzen auf die Realwirtschaft haben, ist aus Sicht des Konjunkturchefs des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, Ferdinand Fichtner, schwer vorherzusagen. Mit Blick auf die vernichteten Vermögen seien die Verluste an den Aktienmärkten bislang zwar schmerzhaft, aber noch kein Drama, sagt der DIW-Experte. Nach dem Kollaps der US-Investmentbank Lehman Brothers sei mehr Geld verloren worden.
Die stärkste Hebelwirkung könnte seiner Ansicht nach daher die Verunsicherung der Bevölkerung auf die Konjunktur entfalten. Wie die Menschen auf den Börsencrash reagieren, sei momentan kaum abzuschätzen, sagt der Wissenschaftler.
Eine pessimistischere Haltung vertritt Fichtners Kollege Axel Lindner vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Negative Effekte würden in jedem Fall zu spüren sein, möglicherweise noch in diesem Jahr, sagt der stellvertretende Leiter der Abteilung Makroökonomik.