Hat Gold als sicherer Hafen in Krisenzeiten ausgedient?
Stand: 26.09.2011
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Frankfurt - Ungewohntes Bild an den Finanzmärkten: Der Goldpreis sinkt. Das zwar erst seit wenigen Tagen - dafür aber umso rasanter. Seit dem Anfang September erreichten Rekordhoch von 1.921,15 Dollar je Feinunze ging es um fast 400 Dollar - also rund ein Fünftel - abwärts.
Angesichts der weiter schwelenden Schuldenkrise in der Eurozone und den Turbulenzen an den Aktienmärkten verwundert diese Entwicklung auf den ersten Blick. Gilt Gold doch allgemein als "sicherer Hafen" in Krisenzeiten. Doch der Glanz der vergangenen Monate scheint verblast. Experten fühlen sich bereits an die Exzesse der Finanzkrise im Herbst 2008 erinnert, als der Goldpreis Hand in Hand mit anderen Anlageformen innerhalb kurzer Zeit massiv an Wert verloren hatte.
Gold gilt an den Märkten traditionell als Inflationsschutz - davon hatte das Edelmetall bis Anfang September profitiert. Das scheint jetzt vorbei: Viele Konjunkturdaten haben sich zuletzt deutlich eingetrübt. Sowohl für die USA als auch für Europa schließen Experten einen Rückgang der Wirtschaftsleistung nicht mehr aus. "Angesichts der zuletzt wachsenden Rezessionsängste und sinkender Aktien- und Rohstoffpreise dominiert jetzt eher die Angst vor einer Deflation die Märkte und die allgemeine Flucht aus Anlagen", sagte Eugen Weinberg, Leiter der Rohstoffabteilung bei der Commerzbank. Unter einer Deflation verstehen Ökonomen einen allgemeinen Rückgang der Preise.
Verkäufe durch Deflationsängste geschürt
"Viele Anleger suchen angesichts der Deflationsängste jetzt nach Liquidität, da Gold nicht vor sinkenden Preisen schützt", sagte Weinberg. "Vieles in dieser Krise erinnert an die Zeit nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers im Jahr 2008." Auch damals war der Goldpreis stark unter Druck geraten. "Anleger fürchten, dass es im Falle einer schweren Rezession zu einer Kreditklemme kommt", so der Experte. "Ein hohes Maß an Liquidität schützt in einem solchen Umfeld." Da Gold im bisherigen Jahresverlauf zu den wenigen Anlageklassen gehört, die noch im Plus ist, machten die Anleger hier jetzt Kasse.
Es sind aber keineswegs nur spekulativ orientierte Anleger, die den Goldpreis drücken. "Die schwächere Weltkonjunktur dämpft auch die Verkäufe von Goldschmuck", sagte Weinberg. Die jüngsten Zahlen zeigten schon einen merklichen Rückgang der Nachfrage. DekaBank-Expertin Dora Borbély sieht zudem in den jüngsten Aussagen der US-Notenbank Fed einen Grund für den Kursverfall: "Profitiert hatte das Gold in der Vergangenheit auch von der durch die US-Notenbank ausgelösten Liquiditätsflut", sagte Dora Borbély. In den letzten Jahren hatte die Federal Reserve zwei große Anleihenkaufprogramme zur Stützung der Konjunktur aufgelegt und damit auch zu einer steigenden Nachfrage nach Gold beigetragen. Nachdem die US-Notenbank auf ihrer letzten Sitzung keine neue Geldschwemme verkündet hatte, ist der Goldpreis spürbar unter Druck geraten.
Leitzinssenkung könnte Goldpreis ebenfalls drücken
Sollte die Europäische Zentralbank (EZB) Anfang Oktober tatsächlich den Leitzins senken, könnte dies ebenfalls Druck auf den Goldpreis ausüben. An den Finanzmärkten wird eine Zinssenkung zumindest nicht ausgeschlossen. "Allerdings schaut der Markt vor allem auf die US-Notenbank", sagte Borbély. Daher dürften die Folgen eines EZB-Schrittes bescheiden bleiben.
"Die Notenbanken und die Regierungen haben im Gegensatz zum Jahr 2008 nur noch wenige Möglichkeiten, die Konjunktur zu stützen", sagte Weinberg. Auch diese Rezessionsangst laste auf dem Goldpreis. Weinberg erwartet nach dem massiven Rutsch der vergangenen Tage jetzt erst einmal eine Stabilisierung des Goldpreises bei rund 1.500 Dollar. Auf diesem Niveau ergäben sich dann günstige Kaufgelegenheiten. "Langfristig dürfte der Goldpreis jedoch leider wieder steigen. Leider, weil dies auch ein Ausdruck des Misstrauens gegenüber dem jetzigen Finanzsystem ist."