Griechisches Parlament nimmt neues Reformpaket an
Stand: 24.07.2015
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Athen - Nachdem das griechische Parlament dem heftig umstrittenen Reformpaket zugestimmt hat, folgen neue Verhandlungen über Milliardenhilfen in Athen. Unterhändler der Geldgeber-Institutionen werden am Freitag in der griechischen Hauptstadt erwartet, wie dort aus Regierungskreisen verlautete. Im Raum steht ein drittes Hilfsprogramm, das bis zu 86 Milliarden Euro umfassen und sich über drei Jahre erstrecken soll. Der Parlamentsbeschluss zur Reform des griechischen Justiz- und Bankenwesens war eine Vorbedingung dafür. Die EU-Kommission attestierte der Regierung in Athen, ihre Zusagen in einer "zeitgerechten und überaus zufriedenstellenden Art" umzusetzen.
In Athener Regierungskreisen wurde mit "zügigen Verhandlungen" gerechnet. Wann genau die Gespräche beginnen und enden sollen, blieb am Donnerstag zunächst unklar. Als Zielmarke wurde aber der 12. August genannt. Eine Vereinbarung müsste dann noch von der Eurogruppe und anschließend von den Parlamenten einiger Euro-Staaten abgesegnet werden. Die Zeit drängt: Am 20. August muss Griechenland 3,2 Milliarden Euro an die Europäische Zentralbank (EZB) zurückzahlen.
In den Verhandlungen wird die frühere Troika aus EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) laut griechischen Medien durch einen Vertreter des Euro-Rettungsfonds (ESM) verstärkt - und damit zum Quartett. Aus dem ESM soll der größte Teil der neuen Milliardenhilfen für Athen fließen. Griechenland ist mit mehr als 300 Milliarden Euro verschuldet und hat die EU-weit höchste Staatsschuldenquote, auch wenn diese zuletzt etwas gesunken ist.
Um die neuen Hilfen zu akquirieren, musste das griechische Parlament in Vorleistung gehen: Am frühen Donnerstagmorgen billigte es das zweite Reformpaket binnen einer Woche, wobei die Regierungsmehrheit auch diesmal verfehlt wurde. Von den 300 Abgeordneten stimmten 230 mit "Ja", im Regierungslager gab es 36 Abweichler. Bei einer Abstimmung über Änderungen im Steuer- und Rentensystem vor einer Woche waren es 39 gewesen. Beide Male profitierte die Koalition von Ministerpräsident Alexis Tsipras aus der Linksbewegung Syriza und den Rechtspopulisten (Anel) von entscheidenden Stimmen der Opposition.
Die beschlossenen Änderungen im Justizwesen zielen vor allem auf beschleunigte Gerichtsverfahren und neue Regeln für Immobilienbesitzer. So sollen Kreditnehmer künftig ihre Wohnungen verlieren können, wenn sie mit Rückzahlungen an die Banken in Verzug geraten. Das neue Bankengesetz wiederum soll Spareinlagen bis 100 000 Euro absichern. Wer mehr Geld auf dem Konto hat, soll wie Aktionäre auch an den Kosten zur Sanierung maroder Banken beteiligt werden.
Besonders der linke Syriza-Flügel empfindet die Reformen als Vertrauensbruch und spricht offen von einer möglichen Rückkehr zur Drachme. Fast die gesamte griechische Presse sah Syriza am Donnerstag kurz vor einer Spaltung. Experten halten es für sehr gut möglich, dass Tsipras wegen der parteiinternen Querelen Neuwahlen ausruft, sobald das dritte Hilfspaket unter Dach und Fach ist - und somit das Volk über seinen Kurs abstimmen lässt. Auch ein Sonderparteitag zur Klärung des Syriza-Richtungsstreits scheint denkbar.
Der vor kurzem zurückgetretene griechische Finanzminister Gianis Varoufakis geht weiter mit den Gläubigern hart ins Gericht. "Selbst wenn Gott und seine Engel auf die Erde herabkämen und die griechische Regierung übernähmen, sie könnten das Reformprogramm nicht erfolgreich umsetzen", sagte Varoufakis "Focus Online". Die verlangten Einsparungen und Gesetzesänderungen gingen völlig an der volkswirtschaftlichen Realität in dem akut pleitebedrohten Land vorbei.