EZB wartet ab: Leitzins bleibt bei 1,0 Prozent
Stand: 07.06.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa | dapd
Frankfurt/Main - Ungeachtet der sich immer weiter zuspitzenden Schuldenkrise und der schwachen Konjunktur bleibt der Leitzins bei 1,0 Prozent. Experten erwarten in den kommenden Wochen eine weitere Zinssenkung.
Ob die Währungshüter bei ihrer nächsten Sitzung die eskalierende Schulden- und Bankenkrise mit noch billigerem Geld bekämpfen, blieb offen.
"Die Situation ist nicht mit der Lage nach der Lehman-Pleite" vergleichbar, sagte EZB-Präsident Mario Draghi im Anschluss an die Ratsentscheidung am Mittwoch in Frankfurt. Damals hatten die Währungshüter den Leitzins in mehreren Schritten auf das Rekordtief von 1,0 Prozent verringert.
Kein Vergleich zur Lage nach der Lehman-Pleite
Experten erwarten, dass die EZB die Zinsen in den kommenden Monaten weiter senken wird, um die schwache Konjunktur anzukurbeln. Draghi will sich noch nicht festlegen, betont aber die geringen Inflationsrisiken und die hohe Unsicherheit für die Konjunktur - beides könnte als Signal für einen anstehenden Zinsschritt nach unten interpretiert werden. Schon am Mittwoch stimmten "einige wenige" EZB-Ratsmitglieder für diesen Schritt.
"Die EZB hat heute die Tür nur ein kleines Stück für eine mögliche Zinssenkung geöffnet", aber das weitere Vorgehen bleibe offen, erklärte Holger Schmieding, Ökonom bei der Berenberg Bank.
Forderungen, dass die EZB Banken erneut langfristig billiges Geld leiht oder wieder Anleihen strauchelnder Staaten kauft, widerstehen die Währungshüter zunächst. Es sei fraglich, ob weitere Billigkredite helfen würden, sagte Draghi. Die Möglichkeiten zusätzlicher unkonventioneller Maßnahmen bestünden aber weiter.
Wahl in Griechenland und EU-Gipfel abwarten
Nach Überzeugung von Beobachtern sieht die Notenbank vor allem die Politik am Zug. Die Notenbanker fürchten nach Einschätzung von Beobachtern, ein beherzteres Eingreifen könne den nötigen Spardruck von den Regierungen nehmen. Auch deshalb halte die EZB ihr Pulver vor der Wahl in Griechenland und dem EU-Gipfel Ende Juni trocken. Draghi betonte dagegen: "Es gibt keinen Kuhhandel".
Viele Beobachter sehen die EZB im Zugzwang: Denn Spanien bekommt an den Finanzmärkten nur noch für sehr hohe Zinsen frisches Geld, Griechenland droht der Austritt aus der Eurozone, die Konjunktur im Euroraum kommt nicht in Schwung und die Börsen stürzten zuletzt ab.
Nach Einschätzung der Währungshüter steuert der Euroraum auf eine leichte Rezession zu. Eine dramatische Verschlechterung sieht die EZB trotz der wiederaufgeflammten Schuldenkrise aber nicht. Sie beließ ihre Wachstumsprognose für dieses Jahr gegenüber der März-Vorhersage unverändert und sagt voraus, dass das Bruttoinlandsprodukt der Eurozone im laufenden Jahr um 0,1 Prozent sinken wird (Spanne minus 0,5 Prozent bis plus 0,3 Prozent).
Hoffnung auf eine Erholung der Wirtschaft
Im Jahresverlauf dürfte sich die Wirtschaft allmählich wieder erholen. 2013 soll die Wirtschaft im Euroraum nach der Vorhersage wieder zulegen, allerdings etwas schwächer als noch im März vorhergesagt. Erwartet wird jetzt ein Plus von 1,0 Prozent. Vor drei Monaten hatten die Währungshüter noch mit einem Wachstum von 1,1 Prozent gerechnet.
Gleichzeitig hat die Notenbank ihre Prognose für die Preisentwicklung bestätigt. Die Inflation werde 2012 voraussichtlich über der Marke von zwei Prozent bleiben, sagte Draghi. Insgesamt prognostiziert die EZB für 2012 eine Inflationsrate von 2,4 Prozent.
Im kommenden Jahr werde der Preisdruck nachlassen. Die Inflationsrate dürfte demnach unter den Zielwert der EZB von knapp 2 Prozent auf 1,6 Prozent fallen. Insgesamt seien die Inflationsrisiken wegen der Konjunkturabkühlung moderat. Niedrige Zinsen verbilligen zwar Kredite tendenziell und können so das Wachstum anschieben. Allerdings befeuern sie zugleich die Inflation.