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EZB senkt Leitzins auf historisches Tief

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa-AFX

Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) hat den Leitzins im Euroraum auf ein Rekordtief gesenkt. Erstmals seit Einführung des Euro liegt der Leitzins nun unter ein Prozent bei 0,75. Weitere außergewöhnliche Maßnahmen zur Bekämpfung der Eurokrise kündigte EZB-Präsident Mario Draghi auf der Pressekonferenz jedoch nicht an. Die Finanzmärkte reagierten enttäuscht.

Der Leitzins wurde um 0,25 Punkte auf den neuen Rekordstand von 0,75 Prozent reduziert. Die meisten Volkswirte hatten diesen Schritt im Kampf gegen eine Ausbreitung der Rezession erwartet. Darüber hinaus senkte die EZB den Zinssatz, den sie den Geldhäusern für überschüssiges Zentralbankgeld zahlt. Der Einlagensatz fiel um 0,25 Punkte auf null Prozent. Der Zinssatz, den die Banken für sehr kurzfristige Ausleihungen von einem Tag zahlen müssen, fiel ebenfalls um 0,25 Punkte auf 1,50 Prozent. Neben der EZB hatten auch die chinesische und die dänische Notenbank ihre Leitzinsen gesenkt. Zudem lockerte die britische Notenbank ihre Geldpolitik durch weitere Anleihekäufe.

Haben weitere Handlungsmöglichkeiten

Die EZB signalisierte keine neuen außergewöhnlichen Maßnahmen. "Wir haben nach der Leitzinssenkung nicht über andere außergewöhnliche Maßnahmen gesprochen", sagte Draghi. Alle getroffenen Entscheidungen seien einstimmig gefallen. In dem sehr fragmentierten wirtschaftlichen Umfeld der Eurozone gebe es offenbar keine Maßnahmen, die effektiv sein könnten, sagte Draghi. Zu den außergewöhnlichen Maßnahmen zählen zum Beispiel die Anleihekäufe der EZB, die seit einigen Monaten ausgesetzt sind.

Laut Draghi hat die EZB aber weiterhin Handlungsmöglichkeiten. "Ich habe nicht den Eindruck, dass wir keine Optionen mehr haben. Wir haben unsere gesamte Artillerie zur Verfügung." Er bezog sich allerdings bei dieser Aussage auf die Möglichkeit der EZB, die Preisstabilität zu verteidigen.

EZB dürfte nur bei Panik handeln

Die getroffenen Maßnahmen der EZB dürften nach Einschätzung der Berenberg Bank eine mögliche Panik an den Märkten nicht verhindern. Zwar würden die Banken der Randländer der Eurozone und möglicherweise auch die Kreditvergabe in Deutschland von der Entscheidung profitieren, sagte Berenber-Experte Christian Schulz der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX. Eine Flucht der Anleger aus italienischen und spanischen Staatsanleihen bei neuen schlechten Nachrichten könne mit der Zinssenkung allerdings nicht verhindert werden. Die EZB dürfte erst umfassend handeln, falls eine Panik auftreten und Bankenpleiten stark zunehmen würden.

Zur aktuellen Wirtschaftsentwicklung hat sich Draghi skeptisch gezeigt. "Die erhöhte Unsicherheit lastet auf dem Vertrauen." Bereits jetzt sei das Wachstum im Euroraum schwach. Wenngleich die EZB immer noch von einer moderaten Erholung im Jahresverlauf ausgeht, dürfte die Entwicklung durch zahlreiche Faktoren gedämpft werden. Unter anderem nannte Draghi die hohe Arbeitslosigkeit im Euroraum.

Eurokurs unter Druck

Darüber hinaus verwies der EZB-Chef auf die aktuellen Turbulenzen an den Finanzmärkten, die jederzeit auf die Realwirtschaft überspringen könnten. Zudem bestehe die Gefahr, dass die Energiepreise wieder steigen und damit das Wachstum zusätzlich belasten. Die Inflationsrisiken wertet die Notenbank unterdessen als nach wie vor ausgewogen. Der Preisdruck werde durch die schwache Konjunktur und sinkende Ölpreise gedämpft. Die Teuerung dürfte sich demnach im Jahresverlauf weiter abschwächen und Anfang 2013 unter die Schwelle von zwei Prozent fallen. Möglicherweise wird die Inflationsrate bereits im Jahr 2012 unter diese Marke fallen. Dann würde sie auch wieder dem Zielwert der Notenbank von knapp zwei Prozent entsprechen. Dieses Ziel hat die EZB seit Ende 2010 nicht mehr erreicht.

Der Eurokurs geriet nach Zinsentscheid und Draghi-Aussagen weiter unter Druck und fiel auf ein Tagestief von 1,2364 Prozent. Die Renditen von spanischen und italienischen Staatsanleihen legten stark zu. So kletterte die zehnjährige spanische Rendite um 0,35 Prozentpunkte auf 6,696 Prozent. Auch die Aktienmärkte gerieten unter Druck.