EZB: Nicht von Märkten treiben lassen
Stand: 24.07.2017
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Frankfurt - Jens Weidmann, Bundesbank-Präsident, betont, dass zu viel Rücksichtnahme auf einzelne Euroländer oder die Finanzmärkte beim Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik nicht zielführend sei. „Aus meiner Sicht ist es (...) vor allem entscheidend, dass wir diesen Gang der Normalisierung nicht mit Blick darauf verzögern, welche Folgen sie für die Schuldentragfähigkeit der Mitgliedstaaten oder für die Stabilität der Finanzmärkte haben könnte.“
Ende Juni hatte eine Rede von EZB-Präsident Mario Draghi für Euphorie an den Finanzmärkten gesorgt - anschließend bemühte sich die Europäische Zentralbank (EZB) um Relativierung: Draghi äußerte sich im portugiesischen Sintra sehr zuversichtlich zur Wirtschaft im Euroraum und bezeichnete die jüngste Schwäche bei der Inflation als vorübergehend. Zudem sprach Draghi von einer „graduellen Anpassung“ der Geldpolitik - betonte zugleich aber, die Notenbank brauche „Ausdauer“.
An den Finanzmärkten war nach der Sintra-Rede über ein baldiges Ende des EZB-Anleihekaufprogramms spekuliert worden. Der Euro wertete auf, die Anleiherenditen legten zu.
Inzwischen herrsche im EZB-Rat Einigkeit darüber, „dass der Preisdruck im Euroraum mit dem anhaltenden Wirtschaftsaufschwung allmählich zunehmen wird und das Schreckensgespenst einer Deflation mittlerweile verschwunden ist“, führte Weidmann aus. „Das ist eine wichtige Voraussetzung auf dem Weg zu einer geldpolitischen Normalisierung. Dabei geht es jetzt nicht darum, eine geldpolitische Vollbremsung zu vollziehen, sondern den Fuß behutsam vom Gas zu nehmen. Die Geldpolitik wird also noch eine ganze Weile expansiv ausgerichtet sein und damit die Konjunktur stützen.“
Leitzins und Zinsen weiterhin auf Rekordtief
Die EZB hatte entgegen den Erwartungen am Donnerstag kein weiteres Signal zum Einstieg in den Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik gegeben. Draghi vertröstete auf den Herbst: Dann wollen die Währungshüter nach seinen Worten über mögliche Änderungen am Kurs der Notenbank diskutieren.
Vorerst bleibt der Leitzins im Euroraum auf dem Rekordtief von null Prozent, Banken müssen für das Geldparken weiterhin 0,4 Prozent Strafzinsen zahlen. Zudem kauft die EZB noch bis mindestens Ende 2017 für monatlich 60 Milliarden Euro Staats- und Unternehmensanleihen.
Die Währungshüter lassen sich weiterhin die Option offen, dieses Kaufprogramm bei Bedarf auszuweiten. Das viele billige Geld soll die Konjunktur ankurbeln und die Inflation im Euroraum in Richtung der angestrebten Marke von knapp unter 2,0 Prozent treiben - weit genug entfernt von der Nullmarke.
Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Unternehmen und Verbraucher dazu bringen, Investitionen aufzuschieben - das würde die Konjunktur abwürgen.
Kritik seitens Weidmann
Weidmann, der als Deutschlands oberster Währungshüter im EZB-Rat über die Geldpolitik für den Euroraum mitentscheidet, sieht die Anleihenkäufe seit langem kritisch. „Durch seine Anleihekäufe ist das Eurosystem mittlerweile zum größten Gläubiger der Euroländer geworden“, erklärte der Bundesbank-Präsident und warnte: „Durch diese Vermischung von Geldpolitik und Fiskalpolitik besteht die Gefahr, dass auf den EZB-Rat Druck ausgeübt wird, eine aus geldpolitischer Sicht notwendige Straffung der Geldpolitik hinauszuschieben.“
Gerade deshalb sei es wichtig, „dass das Eurosystem unabhängig von der Politik ist und dies falls nötig auch einfordert“, betonte Weidmann. „Die Kehrseite der Medaille ‚Unabhängigkeit‘, die in einem demokratischen Staatswesen ja einen gewissen Fremdkörper darstellt, ist freilich, dass wir ein ganz klares und begrenztes Mandat besitzen müssen, nämlich Preisstabilität. Daran sollten wir uns im Interesse einer langfristigen Absicherung der Preisstabilität auch eng halten."
Volkswirte erwarten, dass die EZB schrittweise erst ihr Anleihenkaufprogramm („Quantitative Easing“/QE) zurückfahren wird und dann - womöglich erst 2019 - die Zinsen allmählich anheben wird.