EZB: Mehr als eine Billion für Staatsanleihen
Stand: 23.01.2015
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Frankfurt/Main - Eine Billion, das ist eine Eins mit zwölf Nullen: 1.000.000.000.000 - so viel und noch etwas mehr Geld wendet nun die Europäische Zentralbank (EZB) auf, um damit die Wirtschaft im Gebiet der europäischen Währungsunion anzukurbeln.
Dazu will sie von März bis zum September 2016 jeden Monat Staats- und Unternehmensanleihen im Gesamtwert von 60 Milliarden Euro kaufen. Das kündigte Notenbank-Präsident Mario Draghi am Donnerstag in Frankfurt an. Das entspricht insgesamt gut 1,1 Billionen Euro - und damit deutlich mehr, als allgemein erwartet worden war.
Die EZB sorgt sich vor einer gefährlichen Spirale aus Preissenkungen auf breiter Front - und einer schrumpfenden Wirtschaft. Fachleute nennen dies Deflation. Im Dezember sanken die Verbraucherpreise auf Jahressicht sogar erstmals seit 2009 - vor allem weil die Ölpreise abgestürzt sind. Die EZB muss gegensteuern, weil sie sich einem Inflationsziel von knapp unter 2,0 Prozent verpflichtet hat. Sollte dieser Wert während der Laufzeit nicht erreicht werden, könnte das Programm noch länger fortgesetzt werden, wie Draghi sagte.
Sind die Maßnahmen zielführend? - Das ist heftig umstritten
Heftig umstritten ist allerdings, ob die EZB ihre Ziele damit erreichen kann. Außerdem wird kritisiert, dass wirtschaftlich angeschlagene Länder den Anreiz verlieren könnten, mit Reformen weiterzumachen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte in Davos, die EZB-Entscheidung dürfe nicht davon ablenken, "dass die eigentlichen Wachstumsimpulse durch vernünftige Rahmenbedingungen durch die Politik gesetzt werden müssen und auch gesetzt werden können." Merkel verwies auf Reformanstrengungen in Euro-Ländern wie Italien und Frankreich. "Aber wir haben auch schon viel Zeit verloren, und die Zeit drängt."
Ein Programm nach dem Geschmack des IWF
Ausdrückliches Lob kam vom Internationalen Währungsfonds (IWF). Das Programm werde helfen, "die Kreditkosten in der Eurozone zu senken, die Inflationserwartung zu erhöhen und das Risiko einer in die Länge gezogenen Phase niedriger Inflation zu reduzieren", betonte IWF-Chefin Christine Lagarde. Allerdings müsse die lockere Geldpolitik auch durch wirtschaftspolitische Entscheidungen unterstützt werden. Dazu gehörten Strukturreformen und die Ankurbelung der Nachfrage.
Für das neueste Anti-Krisen-Paket der EZB druckt die Notenbank frisches Geld und kauft damit Wertpapiere. Fachleute nennen den Schritt quantitative Lockerung oder schlicht "QE" ("Quantitative Easing"). Draghi und führende Notenbanker hatten die Märkte seit Monaten darauf vorbereitet.
EZB hofft, das Geld werde über die Banken zurück zu den Verbrauchern kommen
Das frische Geld kommt im Idealfall über die Banken, denen die Zentralbank Anleihen abkauft, in Form von Krediten bei Unternehmen und Verbrauchern an. Dass könnte Konsum und Investitionen anschieben und so die maue Konjunktur in Schwung bringen. Denn während die deutsche Wirtschaft relativ gut in Schuss ist, sind die Wachstumsaussichten für den Euroraum nach wie vor bescheiden.
Allerdings bestreiten Kritiker, dass Anleihenkäufe das gewünschte Ziel erreichen. "Der Einfluss des heute beschlossenen Programms auf die Konjunktur und die Inflation im Euroraum ist zu vernachlässigen, da die Zinsen ohnehin schon Rekordtiefs erreicht haben", sagte DZ-Bank-Experte Jan Holthusen. Vielmehr würden die Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien noch weiter steigen: "Die Gefahr, dass spekulative Übertreibungen entstehen, hat sich erhöht."
Widerstand aus dem Rat der EZB
Auch im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) gab es bis zuletzt Widerstand, unter anderen von den deutschen Vertretern in dem 25-köpfigen Gremium. Denn die EZB flutet die Märkte bereits seit Jahren mit billigem Geld.
Und auch für Sparer ist die Geldschwemme keine gute Nachricht, findet der Präsident des Verbands der Versicherungsbranche (GDV), Alexander Erdland. Das EZB-Ankaufprogramm verstärke den Druck auf festverzinsliche Wertpapiere für die private Altersvorsorge: "Das macht es uns jetzt noch schwerer, den Menschen gute Angebote für ihr Alter zu machen. Der Schritt der EZB ist eine Zumutung."
EZB kauft vor allem deutsche Anleihen
Die EZB wird nur bei 20 Prozent der Anleihenkäufe die Risiken in der Währungszone verteilen. Staatsanleihenkäufe sollen sich nach dem Anteil der Euroländer am EZB-Kapital auf die einzelnen Länder verteilen. Damit wird die EZB vor allem Papiere von Deutschland, gefolgt von Frankreich und Italien kaufen.
Gleichzeitig beschloss der EZB-Rat, die Zinsen für ihre langfristigen Bankkredite zu senken. Der 0,1-prozentige Aufschlag auf den Leitzins werde aufgehoben, sagte Draghi. Damit soll die bisher enttäuschende Nachfrage angeregt werden. Mit den sogenannten TLTROs will die EZB die schwache Kreditvergabe der Geschäftsbanken in Schwung bringen. Der Leitzins bleibt auf dem Rekordtief von 0,05 Prozent.