EZB bleibt im Krisen-Modus - Zinsen unverändert auf Rekordtief
Stand: 05.04.2012
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Frankfurt - Die Europäische Zentralbank (EZB) bleibt weiter auf Kurs der expansiven Geldpolitik. Angesichts der anhaltenden Schuldenkrise und des moderaten Wachstums sei ein Rückzug noch zu früh. Dazu passt auch, dass die EZB den Leitzins für den Euroraum unverändert auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent belässt.
Notenbankchef Mario Draghi forderte in Frankfurt die Regierungen auf, das Zeitfenster, das die Notenbank durch ihre Langfrist-Tender geschaffen habe, für Reformen zu nutzen. Die Banken sollten hingegen Gewinne zurückhalten, um ihr Eigenkapital zu stärken.
Inflation: Draghi warnt vor Aufwärtsrisiken
Draghi warnte vor dem Hintergrund der hohen Ölpreise erneut vor "Aufwärtsrisiken für die Inflation". Die Teuerungsrate in der Eurozone werde vorerst über 2,0 Prozent bleiben und damit über der von der EZB anvisierten Zielmarke. Anfang 2013 dürfte die Inflationsrate dann wieder unter 2,0 Prozent fallen. Die Notenbank werde falls nötig "zeitnah" auf Risiken reagieren. Die Inflationserwartungen bleiben laut Draghi weiter "fest verankert".
Zuvor hatte die EZB die Leitzinsen unverändert auf dem Rekordtief von 1,0 Prozent belassen. Zudem werde sie mögliche Zweitrundeneffekte durch höhere Energiepreise sehr genau beobachten. "Wann wir zu einer klassischen Geldpolitik zurückkehren, lässt sich nicht leicht beantworten", sagte Draghi.
Neben den Inflationssorgen gebe es auch mit Blick auf die konjunkturelle Entwicklung in der Eurozone "Abwärtsgefahren", räumte der EZB-Präsident ein. Die Gefahren für das Wirtschaftswachstum kommen nach Einschätzung des Notenbankchefs von den europäischen Anleihemärkten und durch die hohen Rohstoffpreise. Die Notenbank erwartet jedoch weiterhin ein moderates Wachstum. Dieses werde durch die Weltwirtschaft und die niedrigen Zinsen gestützt. Insgesamt seien die Risiken für das Wirtschaftswachstum ausgewogen.
Experten erwarten keine Änderung der Geldpolitik
Nach Einschätzung der Berenberg Bank schaut die EZB derzeit verstärkt auf den Arbeitsmarkt. Draghi habe bei seiner Pressekonferenz ausführlicher als sonst die Entwicklung am Arbeitsmarkt kommentiert, sagte Berenberg-EZB-Experte Christian Schulz. Die Geldpolitik könnte etwas "amerikanischer" werden.
Eine Änderung der Geldpolitik erwarten die meisten Volkswirte jedoch zunächst nicht. "Das moderate Wirtschaftswachstum im laufenden Jahr und der erwartete Rückgang der Inflationsrate unter die Marke von zwei Prozent Anfang 2013 sprechen gegen eine Leitzinsänderung", sagte EZB-Experte Michael Schubert von Commerzbank der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX.
Auch die Volkswirte der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) sehen "weder Signale für eine weitere Leitzinssenkung noch für eine erhöhte Liquiditätsbereitstellung". Auf kurze Sicht liege das Risiko für die Eurozone bei den erhöhten Teuerungsraten. Die Preisentwicklung lässt nach Einschätzung der Helaba "keinen Raum für weitere geldpolitische Lockerungsmaßnahmen" durch die EZB.
"Keine Anzeichen, dass Banken am EZB-Tropf hängen"
Draghi zeigte sich überzeugt, dass mit den beiden Tendern mit einer Laufzeit von drei Jahren eine Kreditklemme verhindert wurde. Seine volle Wirkung habe das "kraftvolle Instrument" allerdings noch gar nicht entfaltet. Im Dezember und Februar hatte die EZB den Geschäftsbanken Geld für bis zu drei Jahre angeboten. Die Institute liehen sich insgesamt gut eine Billion Euro. Weil zum Teil Mittel aus anderen EZB-Geschäften umgeschichtet wurde, kamen nach Berechnungen von Ökonomen davon netto gut 500 Milliarden im Finanzsystem an.
Zur Kritik, die EZB halte auch nicht wettbewerbsfähige Banken künstlich am Leben, sagte Draghi: "Wir sehen keine Anzeichen, dass Banken am Tropf der EZB hängen." Die EZB werde jedoch darauf achten, dass das Geld in der Wirtschaft ankomme. Draghi bezeichnete die Langfrist-Tender als das klassische Kriseninstrument. Laut Commerzbank-Experte Schubert sind daher bei einer erneuten Verschärfung an den Finanzmärkten durchaus weitere vergleichbare Maßnahmen denkbar. Diese müssten aber nicht unbedingt erneut eine Laufzeit von drei Jahren haben. Die Praxis ist laut Schubert im EZB-Rat weniger umstritten als Staatsanleihenkäufe der Notenbank.