EZB berät über Anleihekaufprogramm
Stand: 06.09.2012
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Frankfurt/Main - Die heutige Sitzung der Europäischen Zentralbank (EZB) wird mit Spannung erwartet. Das umstrittene Programm zum Kauf von Anleihen kriselnder Euroländer wird im Mittelpunkt der Beratungen stehen. Nach Einschätzung der Mehrheit von Volkswirten wird die Notenbank außerdem wohl ihren Leitzins erneut senken.
Anleger erhoffen sich vor allem Einzelheiten zu dem auf der vergangenen Sitzung von EZB-Präsident Mario Draghi angekündigten Anleihekaufprogramm. Die Notenbank wird nach Einschätzung der Mehrheit von Volkswirten auch ihren Leitzins erneut senken. Zudem könnten die Anforderungen an die Sicherheiten bei Refinanzierungsgeschäften abermals gelockert werden.
Im Fokus dürfte jedoch ganz der Zwischenbericht über das geplante Anleihekaufprogramm der EZB stehen. Ein endgültiger Bericht ist nach Einschätzung der meisten Volkswirte noch nicht zu erwarten, da das Bundesverfassungsgericht erst am 12. September über den künftigen Rettungsmechanismus ESM entscheidet. Die Notenbank will nur gemeinsam mit dem Rettungsfonds Anleihen von Ländern wie Italien und Spanien kaufen, da dieser den Staaten Auflagen machen kann. Dies hatte zuletzt EZB-Direktoriumsmitglied Jörg Asmussen nochmals betont. Zudem gibt es nach Einschätzung von Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert im EZB-Rat immer noch Widerstand gegen die Anleihekäufe, der über die Ablehnung von Bundesbankpräsident Jens Weidmann hinausgehe.
Beiteiligung des IWF gefordert
Laut Zeitungsberichten hatten sich vor der vergangenen Sitzung sieben Ratsmitglieder skeptisch geäußert. "Breite Unterstützung für das neue Programm wird es im EZB-Rat also wohl nur dann geben, wenn der Druck auf die Regierung trotz EZB-Interventionen aufrecht erhalten bleibt", schreibt Schubert. Asmussen hatte zuletzt auch die Beteiligung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei der Ausarbeitung des Hilfsprogramms gefordert.
Spannend dürfte insbesondere werden, ob die Notenbank explizite Zinsziele für mögliche Interventionen an den Anleihemärkten von Krisenländern vorgibt. Laut Presseberichten wurde über diese Möglichkeit im EZB-Rat diskutiert. Schubert erwartet jedoch, dass die EZB nur indirekt signalisieren wird, wo eine Schmerzgrenze liegen könnte.
Zinssenkung erst für den kommenden Monat erwartet
Die klassische Zinspolitik dürfte angesichts des Anleihekaufprogramms in den Hintergrund treten - auch wenn die Mehrheit der Volkswirte eine Senkung des Leitzinses um 0,25 Prozentpunkte auf einen neuen Rekordtiefstand von 0,5 Prozent erwartet. Zuletzt hatte die EZB ihren Leitzins im Juli um 0,25 Prozentpunkte reduziert. Einige Experten halten es jedoch für möglich, dass die Zinssenkung erst im nächsten Monat kommt. Die "extreme Fokussierung" der Pressekonferenz auf das Thema Staatsanleihen könnte die Notenbank nach Einschätzung der DekaBank dazu veranlassen, die Zinssenkung um einen Monat zu verschieben.
An den Finanzmärkten wird zudem die Veröffentlichung eines neuen Sicherheitenrahmens für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte erwartet. Auch diese Entscheidung könnte nach Einschätzung der Royal Bank of Scotland (RBS) wegen der dominierenden Diskussion um die Anleihekäufe verschoben werden. Ein neues langfristiges Refinanzierungsgeschäfts (LTRO) dürfte ebenfalls noch nicht angekündigt werden. Zum Jahreswechsel hatte die EZB mit zwei Dreijahrestendern zumindest für eine vorübergehende Beruhigung an den Anleihemärkten gesorgt.
Die EZB wird zudem ihre neuen Projektionen veröffentlichen. Der Ausblick für die Konjunktur dürfte sich nach Einschätzung der RBS weiter eingetrübt haben, während sich der Inflationsausblick nicht verändern sollte. Im August war die Inflationsrate wegen steigender Kraftstoffpreise in der Eurozone auf 2,6 Prozent gestiegen. Die EZB strebt mittelfristig eine Inflationsrate von knapp zwei Prozent an.
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