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Europäische Finanzpolitik: Geht es nur gemeinsam?

Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa

Frankfurt/Main - Ex-Bundesbank-Präsident Karl Otto Pöhl sieht die Politik in der Verantwortung zur Lösung der europäischen Finanzkrise. Dabei fordert er eine engere Zusammenarbeit der Staaten in der Wirtschaftspolitik. Eine Agenda der nationalen Unterschiede hingegen sei "permanenter Sprengstoff für das System", so Pöhl im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur.

In den Wendejahren 1989/90 warnten Sie vor einer überhasteten Währungsunion und davor, "die Wiedervereinigung mit der Notenpresse zu finanzieren". Sehen Sie sich heute, 25 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, in ihrer Kritik bestätigt oder widerlegt?

Pöhl: Weder das eine noch das andere. Im Lichte der historischen Entwicklung 25 Jahre später betrachtet, kann man leicht Urteile fällen, obwohl realistische Weichenstellungen schon erkennbar waren.

Der Wechselkurs, zu dem die Ost-Mark gegen die West-Mark getauscht wurde, entsprach mit Sicherheit nicht den damaligen ökonomischen Realitäten. Ein realistischer Wechselkurs hätte allerdings zum Bankrott vieler DDR-Betriebe geführt. Er wäre auch nicht von der DDR-Bevölkerung akzeptiert worden. Die Bundesbank musste seinerzeit die "politische" Entscheidung respektieren.

Sie haben sich sehr für eine unabhängige Europäische Zentralbank eingesetzt. Wie beurteilen Sie den Kurs der EZB?

Pöhl: Fast gleichzeitig mit der deutschen Währungsunion wurde die Europäische Währungsunion gegründet und damit die D-Mark aufgegeben.

War das der Preis, den wir für die Zustimmung der Engländer und Franzosen zur deutschen Vereinigung bezahlen mussten? Zumindest wurde die Zustimmung erleichtert. Die Schaffung der EZB, einer unabhängigen europäischen Notenbank nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank, war ein großer Schritt in Richtung einer europäischen Integration. Ob es ein erfolgreicher Schritt ist, muss sich allerdings noch erweisen.

Die nationalen Unterschiede sind immer noch ein permanenter Sprengstoff für das System. Die EZB ist eine der wenigen funktionsfähigen Institutionen in Europa. Das ist ein hohes Gut.

Der aktuelle Bundesbank-Präsident Jens Weidmann wirkt im EZB-Rat oft wie ein einsamer Rufer in der Wüste. Was raten Sie ihm?

Pöhl: Weiter rufen und hart bleiben. Das ist nicht leicht.

Welchen Ausweg sehen Sie für Europa aus der Dauerkrise der vergangenen Jahre?

Pöhl: Es besteht die Gefahr, dass Europa in Stagnation und Nullwachstum endet. Der Ausweg aus der Krise kann nur mit einem bedeutend höherem Mass an Konvergenz in der Finanz- und Wirtschaftspolitik aller beteiligten Staaten erkannt werden. Damit ist wieder die Politik aufgerufen.