Euro-Finanzminister einigen sich auf Griechenland-Hilfspaket
Stand: 21.02.2012
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Brüssel - Es ist vollbracht: Nach monatelangem Ringen haben sich die Euro-Finanzminister am heutigen Morgen auf das milliardenschwere Hilfspaket für Griechenland geeinigt. Private und öffentliche Gläubiger müssen mehr als geplant zur Griechenlandhilfe beitragen. Der Internationale Währungsfonds IWF hat sich noch nicht abschließend dazu geäußert, wie groß sein Anteil sein wird; er knüpft die Höhe des Beitrags an Bedingungen.
Mit Milliardenkrediten und einem Schuldenverzicht privater Gläubiger wird Griechenland erneut in letzter Minute vor dem Staatsbankrott bewahrt. Zum zweiten Mal nach 2010 gewähren die Euro-Partner Athen ein Hilfspaket, das jetzt 130 Milliarden Euro umfasst. Das beschlossen die Euro-Finanzminister am Dienstag nach einem zwölfstündigen Verhandlungsmarathon in Brüssel. Als Geldgeber soll sich auch wieder der Internationale Währungsfonds (IWF) beteiligen, er knüpft dies jedoch an Bedingungen und will erst im März entscheiden. Im Gegenzug muss Griechenland mehr Kontrollen akzeptieren und einen Teil seiner Budgethoheit abgeben. Auch das von Deutschland geforderte Sperrkonto gehört dazu.
Banken, Versicherungen und Fonds beteiligen sich
Erstmals wollen auch Banken, Versicherungen und Fonds Athen einen Teil ihrer Forderungen erlassen. Sie sollen laut der Einigung unmittelbar auf 53,5 Prozent - also etwas mehr als die Hälfte - ihrer Forderungen an Griechenland verzichten. Das bedeutet für Athen nach Angaben des internationalen Bankenverbands IIF eine Entlastung um 107 Milliarden Euro. Der IIF sprach von der "bisher größten Umstrukturierung von Staatsschulden" aller Zeiten. Ob auch wirklich genügend Banken bei dem Schuldenschnitt mitmachen, um die Summe zu erreichen, werden jedoch erst die kommenden Wochen zeigen. "Wir erwarten eine sehr hohe Beteiligungsrate", sagte Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker.
"Beispiellose Solidarität der Euro-Partnerstaaten Griechenlands"
Wegen der wirtschaftlichen Rezession ist die Lage Griechenlands schlimmer als zunächst bekannt. Das Volumen des Hilfspakets reichte daher nicht aus und musste nachgebessert werden. Nationale Parlamente, darunter der Bundestag, müssen dem noch zustimmen. Neben den privaten werden auch öffentliche Geldgeber stärker zur Kasse gebeten. EU-Währungskommissar Olli Rehn sprach von einer "beispiellosen Solidarität der Euro-Partnerstaaten Griechenlands".
So beschlossen die Minister Kredithilfen von 100 Milliarden Euro für Griechenland. Sie sollen Hellas vor allem in die Lage versetzen, seine Schulden zu bezahlen. Hinzu kommen 30 Milliarden Euro als Anreiz für die privaten Gläubiger, ihre alten Anleihen gegen neue mit langer Laufzeit umzutauschen.
Bei diesem Umtausch verlieren die Anleihen zugleich an Wert. Die Zinssätze für die neuen Anleihen beginnen bei niedrigen 2 Prozent, steigen später auf 3 Prozent und erst nach 2020 auf 4,3 Prozent. Erst nach hartem Ringen und massivem Druck der Euro-Länder lenkte der Verband IIF ein und stockte sein Angebot auf.
Öffentliche Geldgeber halbieren Zinsen
Auch die öffentlichen Geldgeber legten noch drauf: Für die im Mai 2010 Griechenland gewährten bilateralen Kredite des ersten Hilfspakets in Höhe von 110 Milliarden Euro halbieren sie die dafür vereinbarten Zinsen. Am 20. März muss Griechenland 14,5 Milliarden Euro Schulden tilgen - die das Land aber nicht hat.
Ebenso werden die nationalen Notenbanken stärker miteinbezogen. Gewinne, die die Europäische Zentralbank (EZB) als größter Gläubiger Athens und die nationalen Notenbanken aus den von ihnen gehaltenen griechischen Anleihen erzielen, "werden eingesetzt, um die Verschuldung Griechenlands zu verringern", schreiben die Minister in ihrer Abschlusserklärung. Dies werde im Rahmen des Statuts erfolgen. Kommissars Rehn sagte: "Wir respektieren die Unabhängigkeit der EZB".
Sonst hätte es nicht gereicht, damit Athen das angepeilte Ziel erreicht, seinen Schuldenstand bis 2020 auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung zu senken - erlaubt sind eigentlich maximal 60 Prozent. Die beschlossenen Maßnahmen würden sicherstellen, dass Griechenlands Schulden dann 120,5 Prozent erreichten, heißt es in der Erklärung. Allerdings gelten solche Prognosen als schwierig, da zum Beispiel kaum abzusehen ist, wie sich die griechische Wirtschaftsleistung entwickeln wird und wie schnell sich Reformen umsetzen lassen. Derzeit liegt der Schuldenstand bei fast 170 Prozent.
"Das Paket wird Griechenland die benötigte Zeit geben, um Strukturreformen vorzunehmen und den Weg des nachhaltigen Wachstums zu beschreiten", sagte Juncker. Das Geld stammt aus dem Rettungsfonds EFSF.
Lagarde knüpft Beitrag zum Hilfspaket an Bedingungen
IWF-Chefin Christine Lagarde machte einen "bedeutsamen" Beitrag des IWF von einer Aufstockung des neuen Euro-Krisenfonds ESM abhängig. Sie sprach von "zusätzlichen Maßnahmen wie zum Beispiel der korrekten Schaffung eines ordentlichen Schutzwalls". Der ESM wird im Sommer den EFSF ablösen und umfasst 500 Milliarden Euro. Die Staats- und Regierungschefs wollen beim EU-Gipfel am 1. und 2. März über eine Aufstockung beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnt dies bislang ab. Am ersten Paket hatte der IWF sich zu einem Drittel beteiligt. Lagarde stellte eine Entscheidung des IWF für März in Aussicht.
Griechenland muss strengere Kontrolle hinnehmen
Im Gegenzug für die Milliardenhilfen soll Griechenland mehr Kontrolle erdulden und seine Budgethoheit teilweise abgeben. Das Hilfspaket ist verbunden mit einer Reihe von politischen Reform-Auflagen für die Regierung in Athen. Sie soll unter anderem Renten und Mindestlöhne kürzen, durch eine Reform des Steuersystems für mehr Einnahmen und mit einer Öffnung bisher abgeschotteter und streng regulierter Märkte für mehr Wachstum sorgen. "Das ist kein Selbstläufer, die Vorbedingungen müssen erfüllt werden", mahnte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Deutschland setzt sich mit der Einrichtung eines Sperrkontos durch
Auf einem Sperrkonto wird künftig außerhalb der Verfügungsgewalt der griechischen Regierung Geld gelagert, mit dem Zinsen und Tilgungen gezahlt werden müssen. Für andere Zwecke darf das Geld nicht genutzt werden. Mit dieser zentralen Forderung setzte Deutschland sich letztlich durch. Die Einhaltung dieser Auflagen soll künftig laufend von der "Troika" aus Experten von EU-Kommission, IWF und EZB überwacht werden. Die Idee eines Sparkommissars ist aber vom Tisch.