Euro-Eilklagen: Karlsruher Entscheidung steht noch aus
Stand: 11.07.2012
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Karlsruhe - Die Entscheidung der Karlsruher Verfassungsrichter könnte noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle kündigte eine "verfassungsrechtlich vernünftige Prüfung" der Klagen an, die über ein normales Eilverfahren hinausgehen könne. Das Gericht befindet sich wohl vor einer der schwierigsten Entscheidungen seiner Geschichte.
Die Souveränität der Bundesrepublik und auch die Demokratie stünden auf dem Spiel, wenn das Gericht den ESM-Rettungsschirm und Fiskalpakt nicht verhindere, argumentierten am Dienstag in Karlsruhe die Kläger zum Auftakt der Verhandlungen über ihre Eilanträge. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte dagegen vor einer "erheblichen Verunsicherung der Märkte", sollten die Gesetze nicht bald in Kraft treten.
Unter dem auf sie lastenden Druck wollen die Verfassungshüter nun offenbar einen ungewöhnlichen Weg beschreiten: Das Verfahren über die Eilanträge, die erstmal nur darauf abzielen, Bundespräsident Joachim Gauck die Unterzeichnung der Gesetze zum Rettungspaket vorerst zu untersagen, würde ausgedehnt, um bereits eine nähere Prüfung in der Sache zu ermöglichen. Das spätere Verfahren in der Hauptsache würde dafür deutlich kürzer ausfallen.
Verfassungsrechtliche Prüfung dauert drei Monate
Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle kündigte eine "verfassungsrechtlich vernünftige Prüfung" der Klagen an, die über ein normales Eilverfahren hinausgehen könne. Dies könnte nach Angaben von Prozessbeteiligten bis zu drei Monate dauern. Zuvor war damit gerechnet worden, dass Karlsruhe spätestens bis Ende Juli über die Eilanträge entscheiden würde.
Hintergrund der angedeuteten Vorgehensweise ist, dass die Verfassunghüter im Fall einer Entscheidung gegen die Eilanträge bereits vollendete Tatsachen schaffen würden. Denn mit Gaucks Unterschrift würden die Gesetze völkerrechtlich verbindlich. Karlsruhe hätte dann keine Gelegenheit mehr, später im Hauptsacheverfahren zu befinden, ob ESM und Fiskalpakt tatsächlich gegen die Haushaltsrechte der Parlamentarier verstoßen oder gar die Souveränität Deutschlands auf dem Spiel steht.
Verfassungsgericht in der Zwickmühle
Normalerweise prüfen Richer in Eilverfahren nur die Folgen des beantragten vorläufigen Rechtschutzes. Im konkreten Fall würden sie die Konsequenzen abwägen, die einträten, wenn sie die Eilklagen ablehnen und die Verträge in Kraft treten lassen, die Verfassungsbeschwerden in der Hauptsache aber später Erfolg hätten. Dies wägen sie ab mit den Nachteilen, die entstünden, wenn sie den Eilanträgen stattgeben, später aber dann feststellen, dass die Gesetze doch verfassungsgemäß sind.
Doch Zeit für solch eine lange zweigeteilte Prüfung hat das Gericht nach Auffassung der Bundesregierung nicht: Durch eine weitere Verschiebung des Rettungsschirms ESM, der eigentlich schon zum 1. Juli in Kraft treten sollte, würden die "Krisensymptome" verstärkt - mit "nicht absehbaren Gefahren auch für die Wirtschaft in Deutschland", warnte Schäuble.
Die Kläger wandten sich hingegen gegen die Eile. Der Rechtsgelehrte Christoph Degenhart hob hervor, dass "die Nervosität der Märkte kein verfassungsrechtliches Entscheidungskriterium" sein könne. Linken-Fraktionschef Gregor Gysi argumentierte, es bleibe Zeit genug für eine ordentliche Prüfung im Eil- und Hauptsacheverfahren, da es im vorläufigen Rettungsschirm EFSF noch genügend Milliarden für die Euro-Krisenstaaten gebe.
"Euro-Rettung gestoppt!"
Dass sich die Verfassungshüter im Spannungsfeld von Schnelligkeit und Genauigkeit in einem Dilemma befinden, ist ihnen klar. Zwar dürfe das Gericht den Rechtsschutz der Kläger nicht ins Leere laufen lassen, sagte Voßkuhle. Würde aber ihren Eilanträgen in einem ordentlichen zweigeteilten Verfahren zunächst stattgegeben, hieße es in der internationalen Presse "Euro-Rettung gestoppt!" - mit unabsehbaren Folgen.
Die Vorgehensweise könnte nun so aussehen, dass das Gericht in der Befassung mit den Eilanträgen bereits gründlich prüft, ob die eigentlichen Verfassungsbeschwerden gegen ESM und Fiskalpakt erkennbar Aussicht auf Erfolg haben oder nicht. Zur Verkürzung des Hauptsacheverfahrens würde damit das vorgeschaltete Eilverfahren komplizierter und länger: Der ESM-Vertrag sei sehr komplex und "macht es auch dem Gericht schwer, Boden unter den Füßen zu gewinnen", sagte Voßkuhle.