EU will Verbriefungen als Anlageform wiederbeleben
Stand: 28.09.2015
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Frankfurt - Zu Pakten gebündelte Immobilienkredite waren der Auslöser der weltweiten Finanzkrise im Jahr 2008. In Europa werden solche Verbriefungen kaum noch gehandelt. Das will die Europäische Kommission ändern. Denn Verbriefungen - so heißt es - seien besser als ihr Ruf und ein wichtiger Pfeiler für die Finanzierung der Wirtschaft. Chancen und Risiken will Finanzstabilitätskommissar Jonathan Hill mit dem an diesem Mittwoch erwarteten Gesetzentwurf in ein vernünftiges Verhältnis bringen - ein kompliziertes Unterfangen.
"Die grundlegende Idee einer Verbriefung ist eine gute: Ein Bündel von Forderungen wird in handelsfähige Wertpapiere umgewandelt und am Kapitalmarkt platziert", schrieb Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret jüngst in einem Gastbeitrag für die "Börsen-Zeitung". Banken können so Kredite bündeln und weiterverkaufen. Dafür müssen sie automatisch weniger Kapital für mögliche Ausfälle reservieren und können stattdessen neue Kredite vergeben. Auch der als Finanzmarktkritiker bekannte Grüne-Europaabgeordnete Sven Giegold kann solchen Papieren etwas abgewinnen. Seine Fraktion sei für Vereinfachungen bei einfach strukturierten Verbriefungen zu haben, erklärt er.
Allerdings wurde das Geschäft vor der Finanzkrise übertrieben - vor allem in den USA. Da wurden zunehmend Kredite zweifelhafter Qualität vergeben, zusammengepackt und im Finanzsystem so verteilt, dass Risiken kaum noch zu erkennen waren. Als dann viele Hauseigentümer ihre Kredite nicht mehr bedienen konnten, platzte die Blase, und die schwere Finanzkrise nahm ihren Lauf.
Der Schock darüber hält in Europa bis heute an. Wurden nach Daten des europäischen Finanzmarktverbandes AFME 2008 noch sogenannte ABS-Papiere (Asset Backed Securities) im Umfang von 815 Milliarden Euro begeben, waren es im vergangenen Jahr nur 217 Milliarden - und das trotz der ultralockeren Geldpolitik der Europäischen Zentralbank und ihres billionenschweren Aufkaufprogramms, das auch Verbriefungen umfasst. In den USA hat sich der Markt hingegen längst wieder stabilisiert.
Dabei hat es nach Einschätzung von Experten in Europa nie solche Auswüchse wie in den USA gegeben. "Hier wurde nie irgendwelcher Schrott verpackt", sagt der Verbriefungsexperte der Rechtsanwaltsfirma Allen & Overy, Stefan Henkelmann. Bundesbanker Dombret verweist darauf, dass Ausfallraten von verbrieften US-Wohnimmobilienkrediten zwischen 3 und 15 Prozent lagen, in Europa höchstens bei einem Prozent. Europäische Verbriefungen hatten "nicht das geringste" mit dem Ausbruch der Finanzkrise zu tun, schlussfolgert daher der Chef der deutschen Verbriefungsorganisation True Sale International, Hartmut Bechtold.
Und doch steckt der Markt in einer Krise. Zahlreiche Banken haben ihre Abteilung ausgedünnt oder sich ganz aus diesem Markt zurückgezogen - auch wegen der nach der Krise verschärften Regeln.
Eine Finanzierungsquelle für die Wirtschaft ist damit weitgehend versiegt. Mit seiner ersten großen Gesetzesinitiative will der seit November vergangenen Jahres amtierende Finanzstabilitätskommissar Hill den Markt nun wieder in Schwung bringen. Der Vorstoß gilt als Vorgeschmack auf das viel größere Projekt einer Kapitalmarktunion in Europa, mit der grenzüberschreitende Finanzgeschäfte in Europa erleichtert werden sollen.
"Der Fokus liegt auf der Wiedergewinnung von Vertrauen für einen Markt und nur bedingt in der Verhinderung einer neuen Finanzkrise", sagte Verbriefungsexperte Stefan Schütt von der Wirtschaftsberatung BearingPoint. Entscheidend für den Erfolg seien widerspruchsfreie, nachvollziehbare Spielregeln für den komplexen Markt.
Nun sollen die Kapitalanforderungen für Verbriefungen gesenkt werden. Allerdings gilt das nur für Papiere, die von der EU das Gütesiegel "Simpel, Transparent, Standardisiert" (STS) bekommen. Um Fehlanreize zu vermeiden, soll es aber bei dem nach der Finanzkrise eingeführten sogenannten Selbstbehalt bleiben. Kreditgeber müssen demnach von einem Kreditbündel mindestens fünf Prozent in den eigenen Büchern behalten.
So will die EU sicherstellen, dass Banken weiter streng auf die Qualität der Kredite achten. Um auszuschließen, dass Verbriefungen zu einer Müllhalde für Giftpapiere werden, hält Politiker Giegold die Quote aber für zu gering. Er schlägt bei komplexeren Instrumenten 15 Prozent Selbtbehalt vor, der frühere Bundesbank-Vorstand Franz Christoph Zeitler plädiert für eine ähnlich hohe Quote.