EU-Kommission setzt in Streit um Bankenunion auf Kompromiss
Stand: 16.09.2013
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Vilnius - Ungeachtet grundlegender Meinungsverschiedenheiten in der Europäischen Union über die Abwicklung von Banken erwartet EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier eine Einigung. "Ich bin mir sicher, dass wir einen Kompromiss finden werden", sagte Barnier am Samstag in Vilnius. Bundesbank-Chef Jens Weidmann schloss sich der Kritik von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) an, der Barniers Vorschläge für einen europäischen Mechanismus zur Bankenabwicklung ohne Änderung des EU-Vertrags ablehnt.
Neben einer gemeinsamen Bankenaufsicht, die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aufgebaut wird, ist der Abwicklungsmechanismus der zweite wichtige Pfeiler der europäischen Bankenunion. Barniers Pläne sehen neben einer gemeinsamen Behörde zur Abwicklung maroder Banken auch einen Krisenfonds vor, der aus Beiträgen der Finanzbranche gespeist werden soll. Die letzte Entscheidung über die Schließung einer Bank soll demnach bei der EU-Kommission liegen.
Heftig umstritten ist, ob für einen solchen Abwicklungsmechanismus und die damit verbundene Verlagerung von Entscheidungen über die Schließung von Banken auf die europäische Ebene eine Änderung der EU-Verträge notwendig ist. Staaten wie Schweden, Großbritannien und ganz besonders Deutschland sind der Meinung, dass Barniers Vorschlag auf der gültigen Rechtsgrundlage nicht umsetzbar ist.
"Wir haben gesehen, dass der Weg, den die Kommission für einen Abwicklungsmechanismus vorgeschlagen hat, ein holpriger ist", sagte Schäuble nach der ersten Diskussion der Pläne bei einem Treffen der EU-Finanzminister in Litauens Hauptstadt Vilnius. "Wir wollen schnell eine Bankenunion, aber wir wollen sie auf einem soliden Fundament mit vernünftigen Lösungen."
Rückendeckung bekommt Schäuble von Bundesbank-Chef Weidmann. "Klar ist, dass der Vorschlag, der vorgelegt worden ist, so nicht verabschiedet werden kann", sagte Weidmann. "Bei hohem Tempo ist es wichtig, dass man besonders sicher und sorgfältig fährt."
Barnier rechtfertigte seine Vorschläge, zeigte sich aber kompromissbereit. "Das ist eine Art Revolution, die wir im Bankensektor der Eurozone machen", sagte der Franzose. Die kontroverse Debatte sei daher "eine normale Diskussion", fügte er hinzu und beteuerte: "Ich bin bereit, an einer anderen Idee zu arbeiten."
Einen Alternativvorschlag macht Schäuble: Der deutsche Finanzminister fordert, erst die nationalen Abwicklungsbehörden in einem Netzwerk zusammenschließen, dann so schnell wie möglich durch eine begrenzte Vertragsänderung die Voraussetzung für einen europäischen Abwicklungsmechanismus schaffen. Die EU steht unter Zeitdruck: Die Einigung der EU-Staaten auf die Abwicklungsstelle für Krisenbanken soll bis Jahresende stehen, der gesamte Gesetzgebungsprozess unter Beteiligung des EU-Parlaments vor der Europawahl im Mai abgeschlossen werden.
"Ich denke, wir sollten diese Debatte in den kommenden Monaten vertiefen und an Lösungen arbeiten", sagte der niederländische Finanzminister und Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem. "Bisher sind nur Kanonenschüsse hin und her gefeuert worden, es gab nicht wirklich eine Debatte darüber, wie das Problem gelöst werden kann." Dabei setzt Dijsselbloem offenbar auf ein Einlenken Deutschlands, denn in offenkundiger Anspielung auf die Bundestagswahl am 22. September fügte er hinzu: "Vielleicht sieht die Welt in anderthalb Wochen schon ganz anders aus."