EU-Finanzminister ohne Einigung über Kapitalregeln für Banken
Stand: 03.05.2012
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Brüssel - Das Sondertreffen der EU-Finanzminister in Brüssel ist in der Nacht ohne einen einstimmigen Beschluss zu neuen Kapitalregeln für Europas Banken zuende gegangen. Diskutiert wurden neue Kapitalregeln für Banken, die von den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G-20) als Reaktion auf die internationale Finanzkrise beschlossen worden waren. Als Warnung galt dabei die Pleite der US-Bank Lehman Brothers, deren Scheitern das Finanzsystem weltweit ins Wanken gebracht hatte.
Den EU-Finanzministern ist es in einer 16-stündigen Sitzung in der Nacht zu Donnerstag nicht gelungen, neue Kapitalvorschriften für Europas Banken einstimmig zu beschließen. Es gebe zwar eine Grundsatzeinigung, aber "technische Details" seien noch immer offen, sagte Dänemarks Finanzministerin Margrethe Vestager am frühen Donnerstagmorgen in Brüssel. Die sollen nun am 15. Mai geklärt werden.
Das Sondertreffen hatte am Mittwochmorgen begonnen und zwölf Stunden später kurz vor dem Abbruch gestanden. Nach einer lebhaften Debatte zwischen den Ministern und dem für die Finanzmarktregulierung zuständigen EU-Kommissar Michel Barnier beschloss Vestager, deren Land derzeit die EU-Ratspräsidentschaft ausübt, jedoch, die Gespräche noch in die Nacht hinein fortzuführen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) warnte seine Kollegen eindringlich vor einer Vertagung.
Diskutiert wurden neue Kapitalregeln für Banken, die von den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern (G-20) als Reaktion auf die internationale Finanzkrise beschlossen worden waren. Als Warnung galt dabei die Pleite der US-Bank Lehman Brothers, deren Scheitern das Finanzsystem weltweit ins Wanken gebracht hatte. Im Rahmen dieser neuen sogenannten Basel-III-Bestimmungen müssen die Banken ihre finanziellen Rücklagen ab 2013 nun schrittweise erhöhen, um gegen Erschütterungen des Finanzsystems besser gerüstet zu sein.
Kernkapitalquote von zwei auf sieben Prozent erhöhen
Die Notwendigkeit von mehr Eigenkapital für die 8300 europäischen Banken ist unbestritten. Die Bestimmungen sehen vor, dass die Banken ihre sogenannte Kernkapitalquote von zwei auf sieben Prozent erhöhen. Doch Großbritannien, das mit London den größten Finanzplatz Europas beherbergt und oft für möglichst wenig Regulierung kämpft, geht das nicht weit genug. Die britische Regierung will ohne Genehmigung der EU-Kommission die Vorschriften für einheimische Banken verschärfen können. Unterstützt wird London dabei etwa von Schweden und Polen.
Die EU-Kommission und eine Ländergruppe um Deutschland und Frankreich setzen sich hingegen für möglichst einheitliche Regeln ein. Der britische Ressortchef George Osborne warnte seine Kollegen, er werde keiner Lösung zustimmen, die ihn wie einen "Idioten" aussehen lasse.
Ein Beschluss soll nun beim nächsten Treffen der EU-Finanzminister am 15. Mai endgültig gefasst werden. Vestager sagte am Donnerstagmorgen, bei der Marathondiskussion über den 600-seitigen Text seien immerhin "20 Probleme" geklärt worden. "Es sind jetzt noch ein paar ganz kleine Restpunkte, über die noch verhandelt wird", sagte Schäuble am späten Mittwochabend, bevor er seinen Platz einem Stellvertreter überließ und selbst zurück nach Berlin reiste.
Die Zeit drängt: neue Bestimmungen ab kommendem Jahr?
Zuletzt hatte die dänische Ratspräsidentschaft einen Kompromissvorschlag gemacht, nach dem die nationalen Regierungen den Finanzhäusern ihres Landes eigenhändig die Pflicht zu einem Kapitalpuffer auferlegen können, der drei Prozent über die EU-Regelung hinaus geht. Geht es nur um Geschäfte im Inland, soll ein zusätzlicher Puffer von fünf Prozent möglich sein.
Erreichen die EU-Finanzminister bei ihrem nächsten Treffen eine Einigung, müssen sie diese mit der EU-Kommission und dem Europaparlament verhandeln.
EU-Kommissar Barnier machte deutlich, dass er zu viel Spielraum für die nationalen Aufsichtsbehörden ablehnt. Die Zeit drängt, da die neuen Bestimmungen ab Beginn des kommenden Jahres in Kraft treten sollen.