Estland führt als 17. Land den Euro ein
Stand: 30.12.2010
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Tallinn - Zum Jahreswechsel führt Estland als 17. Land den Euro ein. 600.000 "Starter-Kits", Plastiktütchen mit jeweils 42 Euromünzen im Wert von 12,79 Euro, hat der Baltikstaat im Dezember schon mal in Umlauf gebracht. Doch Begeisterung will in der Bevölkerung nicht so recht aufkommen.
Die Wirtschaft des kleinen Baltikum-Staates gilt unterdes als bestens vorbereitet. Maren Diale-Schellschmidt, Geschäftsführerin der Deutsch-Baltischen Handelskammer: "Die Menschen hier haben sich für den Euro ein solides Fundament geschaffen." Tatsächlich erfüllt Estland trotz Finanzkrise und nach ungewöhnlich harten Sparrunden die Beitrittsbedingungen souverän.
Von einem Haushaltsdefizit von nur 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) und Staatsschulden von 7,2 Prozent vom BIP können die meisten Euroländer nur träumen. Die Teuerungsrate allerdings hat zuletzt kräftig angezogen und liegt mit fünf Prozent im EU-Vergleich hoch. Schon 2007 hätten die Esten um ein Haar den Beitritt zum Euro geschafft, scheiterten aber hauchdünn an der zu hohen Inflation.
Harter Sparkurs in der Finanzkrise
Seitdem haben die Bürger des wirtschaftlich erfolgreichsten Staates im Baltikum mit erstaunlicher Ruhe eine wirtschaftliche Wahnsinns-Tour hinter sich gebracht. Nach mehreren Jahren als "Tigerökonomie" mit zweistelligen Wachstumsraten brachte der Ausbruch der Finanzkrise 2008 fast so etwas wie den freien Fall. Statt aber, wie von vielen erwartet, diesen Sturz durch eine Abwertung der an den Euro gebundenen Krone zu bremsen, entschied sich die Regierung des liberalen Ministerpräsidenten Andrus Ansip für einen harten Sparkurs.
Bezahlen mussten unter anderem die Beschäftigten im öffentlichen Dienst mit Einkommenskürzungen um 20 Prozent. Im Privatsektor sanken die Löhne und Gehälter um bis zu 40 Prozent. Die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich auf fast 15 Prozent.
Anders als im benachbarten Lettland oder später auch in Griechenland gab es kaum lautstarke Proteste aus der Bevölkerung. "Wir haben da wohl ein bisschen die ruhigen skandinavischen Gene", meint Chefökonomin Maris Lauri von der estnischen Tochter der schwedischen Swedbank. Die Einführung des Euro als seit dem EU- Beitritt 2004 fest angepeiltes Ziel habe dabei auch eine Rolle gespielt:"Das gab dem Sparkurs zusätzliche Kraft."
Grund für Euro-Skepsis: ein möglicher Anstieg der Preise
Inzwischen läuft die Wirtschaft wieder mit voller Kraft. Von Begeisterung über die neue Währung ist im Alltag trotzdem wenig zu spüren. Bei Umfragen haben mal die Befürworter, mal die Gegner die Nase knapp vorn. Neben der Angst vor einem zusätzlichen Anstieg der Preise durch die neue Währung gilt vor allem der Zeitpunkt der Währungsumstellung als Grund für die anhaltende Euro-Skepsis.
"Wir kamen vor gerade mal 20 Jahren von der zerbröckelnden Sowjetunion frei. Jetzt binden wir uns an eine bröckelnde Währungs- Union", meint der Euro-Gegner Martin Helme. Und sieht finstere Zeiten auf Estland zukommen: "Vor allem werden wir für die Schulden anderer aufkommen müssen."