Erhöhung der Pendlerpauschale nützt vor allem Gutverdienern
Stand: 10.04.2012
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München/Berlin - Laut einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstagsausgabe) würde eine höhere Pendlerpauschale vor allem gut verdienenden Alleinstehenden nützen. Weniger gut verdienende Pendler hätten nach Berechnungen des Berliner Steuerprofessors Frank Hechtner keinen oder nur einen geringen Vorteil von einer Erhöhung der Pauschale. Auch in der Regierungskoalition schwelt der Streit um die Höhe der Pendlerpauschale weiter.
Wer ein geringes Einkommen hat oder eine Familie ernähren muss, geht nach den Berechnungen des Steuerexperten unter Umständen sogar leer aus. Hechtner hat laut dem Blatt die Auswirkungen einer um zehn Cent steigenden Pendlerpauschale, wie sie die FDP fordert, für verschiedene Gehaltsgruppen und Entfernungen berechnet.
Höhere Pendlerpauschale bringt Geringverdienern nichts
Wer 2500 Euro im Monat verdient und 40 Kilometer von seiner Arbeit entfernt wohnt, käme den Berechnungen zufolge bei einer höheren Pendlerpauschale auf eine jährliche Steuererleichterung von 284 Euro. Bei einem Verdienst von 6000 Euro lägen die Erleichterungen bei 425 Euro. Wegen höherer Freibeträge fallen die Erleichterungen für Familien demnach noch niedriger aus: Wer 2500 Euro verdient und 40 Kilometer fährt, spart nach Hechtners Berechnungen im Jahr 188 Euro Steuern. Bei einem Einkommen von 6000 Euro wären es 319 Euro.
Ohne Wirkung bliebe eine höhere Pendlerpauschale unter anderem für einen Kleinverdiener, wenn er richtig weit zur Arbeit fahren muss - zum Beispiel 120 Kilometer. Obwohl er besonders unter den hohen Spritpreisen zu leiden habe, läge seine Steuerentlastung bei Null. Das liegt laut dem Bericht an der Kombination von Grundfreibetrag und einer geringen steuerlichen Belastung: Wer einen so langen Arbeitsweg hat, hat schon jetzt höhere Werbekosten als er Steuern zahlt.
Zoff in der Koalition um die Pendlerpauschale
Der Streit um die Höhe der Pendlerpauschale angesichts der Rekord-Spritpreise spaltet die Regierungskoalition. Die um ihr politisches Überleben kämpfende FDP beharrt auf einer Anhebung der Pauschale. Auch aus der Union kamen erneut solche Forderungen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) erteilte einer höheren Pauschale aber erneut eine Absage.
"Steuerlich sehe ich keine Möglichkeit, den Spritpreis zu senken", sagte Schäuble der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag). Die Spielräume in den Haushalten von Bund und Ländern seien "eng begrenzt". Mit Blick auf die Pendlerpauschale von derzeit 30 Cent pro gefahrenem Kilometer sagte Schäuble: "Die Entfernungspauschale ist kein Instrument, um Benzinpreisschwankungen aufzufangen."
Keine Osterreise dank hoher Spritpreise
Wegen der hohen Spritpreise haben nach Ansicht des ADAC an Ostern sogar viele Menschen auf einen Ausflug oder eine Reise mit dem Auto verzichtet - dazu kam aber auch das kühle Wetter. "Wir hatten früher zu Ostern immer richtig viel Verkehr, dieses Jahr ist aber kaum jemand mit dem Auto weggefahren", sagte Sprecherin Maxi Hartung am Montag in München. Am Ostermontag registrierte der ADAC kaum Staus und Behinderungen aufgrund der Fahrzeugzahl. Zum Beginn der Oster-Reisezeit hatten die Benzinpreise ein Niveau von mehr als 1,70 Euro für einen Liter Super-Benzin erreicht.
Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) erneuerte seine Forderung, die Pendlerpauschale anzuheben. Er schlug vor, zunächst einmal zu erheben, welche Mehreinnahmen der Staat durch die gestiegenen Benzinpreise erziele. "Das könnte dann eine Grundlage für die Neuberechnung der Pendlerpauschale sein", sagte der FDP-Chef der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Eine Erhöhung der Pendlerpauschale um zehn Cent würde den Staat laut Zeitung Schätzungen zufolge rund 1,5 Milliarden Euro im Jahr kosten.
Röttgen: "Der Staat darf die Bürger nicht im Regen stehen lassen."
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zuletzt eine Anhebung der Pendlerpauschale abgelehnt. Dagegen sprach sich der stellvertretende CDU-Vorsitzende Norbert Röttgen erneut dafür aus, sie gegebenenfalls zu erhöhen. Der Staat müsse als Wirtschaftsordnungsmacht einschreiten, wenn ein Missbrauch von Marktmacht vorliege, sagte der Bundesumweltminister und nordrhein-westfälische CDU-Spitzenkandidat der "Welt am Sonntag". Sollte es in nächster Zeit zu keiner Verbesserung kommen, müsse man darüber diskutieren, die Pendlerpauschale zu erhöhen. "Der Staat darf die Bürger nicht im Regen stehen lassen."
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier warf der Regierung eine chaotische Politik vor. "Wir brauchen eine grundsätzliche Reform des Steuersystems, nicht ständige Operationen an Details", sagte Steinmeier der "Welt" (Montag). "Die Debatte um die Pendlerpauschale dokumentiert das Chaos in dieser Koalition."
Eine höhere Pendlerpauschale als Entlastung für Autofahrer wird von Experten kritisch gesehen. Der Vorsitzende der Monopolkommission der Bundesregierung, der Düsseldorfer Volkswirt Justus Haucap, sagte der Wirtschaftszeitung "Euro am Sonntag", der Wettbewerb werde dadurch "natürlich nicht beeinflusst".
Spritpreise sind nicht gerechtfertigt
Grünen-Fraktionsvize Bärbel Höhn äußerte Kritik an den Konzernen. "Es gibt keinen Wettbewerb, und deshalb können die Mineralölkonzerne insbesondere vor Ostern dreist abkassieren", sagte sie den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" (Samstag). Höhn verwies auf eine von der Grünen-Bundestagsfraktion in Auftrag gegebene aktualisierte Studie. Demnach müssen die Autofahrer an der Tankstelle deutlich mehr bezahlen, als es durch die hohen Ölpreise gerechtfertigt wäre. Die zusätzlichen Gewinne der Mineralölindustrie beim Superbenzin seien nicht primär an den Tankstellen angefallen, sondern in deren Raffinerien.
Eine besondere Aktion gibt es in Leipzig: Als Reaktion auf die Rekord-Spritpreise machen die Leipziger Verkehrsunternehmen Autofahrern nach Ostern ein verlockendes Angebot: Wer auf Bus oder Bahn umsteigt, kann die "Öffis" von Dienstag (10.) bis Freitag im Stadtgebiet kostenfrei nutzen. Als Fahrschein gilt die Kfz-Zulassung.