Deutsches Wirtschaftswachstum kommt zum Erliegen
Stand: 18.08.2011
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Düsseldorf - Der Boom der deutschen Wirtschaft ist erst einmal vorbei: Zwischen April und Juni ist das Wirtschaftswachstum in Deutschland fast zum Stillstand gekommen. Der Traum, die Bundesrepublik könne sich von den Problemen der Eurozone, der schwachen Wirtschaftsentwicklung in den USA und der Krise in Japan abkoppeln, scheint begraben.
Das Statistische Bundesamt hatte am Dienstag unerwartet schlechte Neuigkeiten zu präsentieren: "Die Dynamik der deutschen Wirtschaft hat sich nach dem schwungvollen Jahresauftakt deutlich abgekühlt", berichteten die Statistiker. Im zweiten Quartal stieg das Bruttoinlandsprodukt im Vergleich zum Vorquartal nur noch um 0,1 Prozent. Das ist das schwächste Wirtschaftswachstum seit Anfang 2009, als die Finanzkrise die Wirtschaft noch im Würgegriff hielt.
Die schlechten Konjunkturnachrichten sorgten an der Börse in Frankfurt am Main für eine neue Verkaufswelle. Der DAX verlor zeitweise fast drei Prozent an Wert und lag auch am Nachmittag deutlich im Minus. Die Sorge der Börsianer vor einer neuen Konjunkturflaute wurde dabei noch von den jüngsten Konjunkturzahlen aus dem Euroraum angefacht.
Denn nach dem Ausfall der deutschen Konjunkturlokomotive sackte auch das Wirtschaftswachstum im Euroraum und in der EU insgesamt laut Eurostat im zweiten Quartal auf nur noch 0,2 Prozent ab. Und auch aus den USA und Japan gab es keine positiven Signale. In den Vereinigten Staaten nahm das BIP zwischen März und Juni gerade einmal um 0,3 Prozent zu. In dem noch immer unter den Folgen des Erdbebens leidenden Japan schrumpfte die Wirtschaft sogar erneut um 0,3 Prozent.
Experten raten zur Gelassenheit
Dennoch warnten Experten vor einer Überdramatisierung der jüngsten deutschen Konjunkturzahlen. Der Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Ferdinand Fichtner, sagte: "Das ist zwar ein deutlicher Dämpfer, bedeutet aber kein Ende des Aufschwungs." Der Trend weise in der Industrie weiterhin aufwärts, wenngleich sich ein Tempoverlust abzeichne. Impulse könnten nach Einschätzung des DIW in der zweiten Jahreshälfte von dem zuletzt schwächelnden privaten Verbrauch kommen.
Der Konjunkturexperte des Versicherungsriesen Allianz, Gregor Eder, wies außerdem darauf hin, dass eine Reihe von Sonderfaktoren die Konjunkturabschwächung überzeichne. So habe die deutsche Energieproduktion mit einem Minus von acht Prozent im zweiten Quartal einen kräftigen Rückschlag erlitten. Bereinigt um derartige Sonderfaktoren liege das Wachstum nicht bei 0,1, sondern bei 0,5 Prozent.
Der Präsident des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI), Christoph Schmidt, riet ebenfalls zur Gelassenheit. "Wir befinden uns in einer Finanz- und Wirtschaftskrise, die uns noch jahrelang in ihrem Bann halten wird. Da ist es unvermeidlich, dass es auf dem Weg zur Normalität auch immer wieder Rückschläge gibt. Deswegen sollte man nicht in Panik verfallen." Auswirkungen der Konjunkturabschwächung auf den Arbeitsmarkt erwartet der RWI-Präsident vorläufig nicht.