Brexit-Gefahr: US-Notenbank lässt Zinsen unverändert
Stand: 16.06.2016
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Washington - Die US-Notenbank Fed lässt unter Berücksichtigung der Brexit-Gefahr ihren Leitzins unverändert. Das anstehende Referendum in Großbritannien über einen Austritt aus der Europäischen Union (EU) habe bei der Entscheidung eine Rolle gespielt, erklärte Fed-Präsidentin Janet Yellen bei einer Pressekonferenz in Washington im Anschluss an den Zinsentscheid. Ein Brexit stelle eine Gefahr für die Weltwirtschaft und die Finanzmärkte dar.
Die Fed-Funds-Rate liege weiter in einer Spanne zwischen 0,25 und 0,50 Prozent, teilten die Währungshüter mit. An den Finanzmärkten und von Experten wurde dies erwartet. Für dieses Jahr prognostizieren die Notenbanker weiterhin zwei Zinsanhebungen. Allerdings rechnen sechs Fed-Mitglieder nur mit einer Anhebung.
Yellen betont "internationale Unsicherheit"
Die internationale Unsicherheit habe die Geldpolitik stark belastet, sagte Yellen. Die jüngsten Konjunkturdaten bewertete die Notenbankerin als "gemischt". Für den Rest des Jahres sei mit einem gesunden Wachstum zu rechnen. Ein Ende der Erholung am Arbeitsmarkt sei nicht in Sicht, wenn auch die Dynamik zuletzt etwas nachgelassen habe.
Yellen hielt aber weiterhin daran fest, dass graduelle Zinsanhebungen künftig angezeigt seien. Sie betonte gleichzeitig aber auch, dass es keinen fest vorgezeichneten geldpolitischen Kurs gebe. Es gebe jedoch eine ziemliche Unsicherheit über die längerfristige Zinsentwicklung.
Experte: "Alles richtig gemacht"
Experten zeigten Verständnis dafür, dass die Notenbanker angesichts der Brexit-Gefahr zunächst abgewartet haben. "Yellen hat alles richtig gemacht", kommentierte Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank. Angesichts des anstehenden Brexit-Referendums sei die Verunsicherung an den Finanzmärkten ohnehin schon groß. Eine Leitzinserhöhung hätte dies demnach noch verstärkt.
Für den kommenden Fed-Zinsentscheid im Juli sei zuletzt die Wahrscheinlichkeit einer Anhebung gesunken, so Lang. Harm Bandholz, US-Chefvolkswirt bei der Bank UniCredit, betonte dagegen, dass die Fed nach wie vor "alle Optionen auf dem Tisch gelassen" habe, inklusive einer Zinserhöhung im Juli.
Wachstumsprognose gesenkt
Die Fed erwartet, dass die Wirtschaft mit einem moderatem Tempo wachsen wird und die Arbeitsmarktindikatoren sich verbessern werden. Die Wachstumsprognose wurde für dieses Jahr auf 2,0 Prozent gesenkt. Im März waren die Notenbanker noch von 2,2 Prozent ausgegangen. Zuletzt habe sich das Tempo beim Jobaufbau abgeschwächt. Das Wirtschaftswachstum habe sich dagegen zuletzt noch beschleunigt.
Die Inflation dürfte laut den Währungshütern kurzfristig weiter niedrig bleiben und mittelfristig anziehen. Die Entwicklung sollte durch steigende Energiepreise gestützt werden. Zudem sollte die Arbeitsmarktentwicklung die Preise stützen. Die Inflation dürfte sich demnach künftig in Richtung zwei Prozent bewegt.
Leitzinsprognosen für 2017 und 2018 gesenkt
Die zeitgleich mit der Zinsentscheidung veröffentlichten Leitzinsprognosen zeigen, dass der geldpolitische Ausschuss FOMC für Ende 2016 im Mittel (Median) weiterhin mit einem Zinsniveau von 0,9 Prozent rechnet. Im März hatte der Wert bereits auf diesem Niveau gelegen. Im Mittel gehen die Notenbanker von zwei Zinserhöhungen in diesem Jahr aus.
Bis Ende 2017 rechnet die Fed allerdings im Mittel mit einem Leitzins von 1,6 Prozent. Hier waren die Währungshüter im März noch von 1,9 Prozent ausgegangen. Ende 2018 wird im Mittel ein Zinssatz von 2,4 Prozent erwartet, nach 3,0 Prozent im März.
Zum vierten Mal in Folge keine Anhebung
Die Prognosen der Fed ergeben sich aus Einzelprognosen der Fed-Mitglieder. Diese werden gebeten, ihre Einschätzungen zum jeweiligen Zeitpunkt abzugeben. Daraus wird eine Tendenz errechnet, indem der Zentralwert oder Median gebildet wird. An den Finanzmärkten wird die Wahrscheinlichkeit einer Leitzinsanhebung in diesem Jahr bei unter 40 Prozent eingepreist.
Zum vierten Mal in Folge haben die Währungshüter nunmehr den Leitzins unangetastet gelassen. Mitte Dezember hatte die Notenbank erstmals seit der Finanzkrise den Leitzins angehoben. Dieser hatte zuvor seit Ende 2008 - also kurz nachdem die weltweite Finanzkrise ihren Höhepunkt erreicht hatte - in der Spanne zwischen null und 0,25 Prozent gelegen.
Der Eurokurs legte nach der Zinsentscheidung zunächst zu und näherte sich der Marke von 1,13 US-Dollar. Er gab seine Gewinne dann jedoch größtenteils wieder ab. Die Kurse von US-Staatsanleihen legten zu. Die US-Aktienmärkte drehten im Verlauf der Pressekonferenz leicht ins Minus.