Börsenabgabe: So steht es um die Finanztransaktionssteuer
Stand: 02.05.2014
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Luxemburg/Brüssel - Seit Jahren gibt es in Europa Streit um eine Finanztransaktionssteuer (FTT). Nun hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) grünes Licht für die geplante Einführung einer solchen Abgabe in elf Staaten - darunter Deutschland - gegeben. Die Idee geht ursprünglich auf den US-Ökonomen James Tobin zurück, der eine Steuer auf Börsengeschäfte schon 1972 ins Gespräch gebracht hatte. Sie gilt als Mittel gegen Zocker, um Spekulation einzudämmen und den Finanzsektor an den Kosten der Krise zu beteiligen.
Was hat der EuGH entschieden?
Dass es zulässig ist, dass elf Staaten im Rahmen der sogenannten Verstärkten Zusammenarbeit eine Steuer auf den Handel mit Bank- und Börsenprodukten in ihren Ländern vorab einführen. Diese Praxis der Kooperation ist in Artikel 20 des Lissabon-Vertrages verankert und wurde vom Europäischen Gerichtshof auch in früheren Verfahren bestätigt, zum Beispiel bei der Schaffung eines EU-Patents. Der EuGH wies nun eine Klage Großbritanniens gegen die Börsensteuer ab.
Dabei äußerten sich die Richter nicht zum Inhalt und der Umsetzung der Steuer. Somit kann Großbritannien zu einem späteren Zeitpunkt erneut in Luxemburg klagen - und will dies auch tun. "Die Aussichten hängen davon ab, was die EU-Staaten beschließen sollten", sagt Steuerrechts-Anwalt Asmus Mihm von der Kanzlei Allen & Overy LLP in Frankfurt.
Was bedeutet das Urteil?
Es gibt dem Prestigevorhaben FTT Rückenwind. Die willigen EU-Staaten können sich nun an die konkrete Ausgestaltung machen. Deutschland und Frankreich wollen "möglichst bis zu den Europawahlen" Ende Mai eine Einigung der elf EU-Staaten in noch offenen Fragen erreichen. Das haben sie im Februar beim deutsch-französischen Ministerrat erklärt. Als Starttermin war ursprünglich einmal Anfang 2014 im Gespräch, ein neuer Termin ist bislang nicht bekannt.
Warum ist Großbritannien gegen die Steuer?
Weil die Briten ihren Finanzplatz London schützen wollen. Eine Steuer sei sinnlos, wenn andere Akteure wie die USA und China nicht mitmachten, heißt es. Dann werde das Geschäft im großen Stil abwandern. Die Briten sehen durch die Verstärkte Zusammenarbeit ihre Rechte missachtet und fürchten Kosten. Anwalt Mihm kritisiert: "Es gibt noch eine Reihe von offenen Fragen, so hat man etwa das Abwanderungsthema noch nicht im Griff."
Was ist eine Finanztransaktionssteuer eigentlich?
Vereinfacht gesagt funktioniert sie wie eine Mehrwertsteuer auf den Handel mit Bank- und Börsenprodukten. Dazu zählen etwa Aktien, Anleihen oder spekulative Papiere (wie etwa Termingeschäfte, die sogenannten Derivate).
Welche Finanzprodukte soll die Abgabe genau betreffen?
Das ist laut Diplomaten noch umstritten. Unklar ist auch noch, an welchem Ort die Steuer greift - ob am Sitz des Finanzinstituts oder dort, wo die Geschäfte tatsächlich gemacht werden. Angedacht ist inzwischen, die Steuer schrittweise einzuführen.
Was wird besteuert?
Wertpapiergeschäfte vor allem zwischen Finanzinstituten. Betroffen wären Banken, Versicherungen sowie Fonds oder Hedgefonds. Auch der automatisierte Hochfrequenzhandel würde erfasst. Man spricht daher auch von einer "Spekulationssteuer", weil der schnelle Handel von Wertpapieren häufig zu instabilen Finanzmärkten führt. Verbraucher und Kleinsparer blieben weitgehend unbehelligt, so sind Kredite, Hypotheken oder Versicherungsverträge ausgenommen. Allerdings würde die Steuer fällig beim Handel mit Aktien, der Betrag wäre aber gering. So könnte eine Bank beim Kauf von Aktien in Höhe von 10.000 Euro die Kosten von zehn Euro auf den Kunden abwälzen.
Wer macht bei der Steuer mit?
Neben Deutschland und Frankreich auch Österreich, Belgien, Estland, Griechenland, Italien, Spanien, Portugal, Slowakei und Slowenien.
Wie hoch soll die Abgabe sein?
Nach den Plänen soll der Steuersatz bei Geschäften mit Anleihen und Aktien 0,1 Prozent betragen, bei spekulativen Derivaten 0,01 Prozent. Dies ist ein Mindestsatz, über den die Staaten hinaus gehen können. Laut EU-Kommission würden die elf Staaten etwa 34 Milliarden Euro Steuern einnehmen, davon Deutschland allein 12 Milliarden Euro.
Wer bekäme das Geld?
Darüber gibt es noch Streit. Die EU-Kommission möchte die Einnahmen in den EU-Haushalt lenken. Deutschland und andere Staaten beanspruchen die Gelder für ihr nationales Staatssäckel. Die Staaten haben das letzte Wort. Die "Zweckbestimmung der Einnahmen" werde noch geprüft, heißt es in der deutsch-französischen Erklärung vom Februar.
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