Bericht: EZB-Mitglieder trafen Finanzakteure vor Zinsentscheidungen
Stand: 03.11.2015
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Frankfurt/Main - Einem Bericht der britischen Zeitung Financial Times (FT, Dienstagausgabe) zufolge haben sich Mitglieder der Euopäischen Zentralbank (EZB) mehrfach kurz vor wichtigen Zinsentscheidungen mit Vertretern von Privatbanken und Vermögensverwaltern getroffen. In einem Fall habe es sogar nur wenige Stunden vor einer Sitzung ein solches Treffen gegeben, berichtet die FT mit Verweis auf einen Terminkalender der Notenbank, den sich die Zeitung nach eigenen Angaben unter Berufung auf Gesetze zur Informationsfreiheit beschafft hat.
Demnach deckt der Kalender Termine aller sechs Mitglieder des geschäftsführenden EZB-Direktoriums im Zeitraum von August 2014 bis August 2015 ab. Der Kalender dokumentiert Treffen von EZB-Direktoriumsmitgliedern mit den Finanzdienstleistern und Banken UBS, BNP Paribas, Blackrock, Algebris und Pimco. Zum Direktorium der EZB gehören EZB-Chef Mario Draghi, EZB-Vize Vitor Constancio und weitere vier Mitglieder.
Besonders bemerkenswert: EZB-Direktor Benoit Coeure traf Vertreter der Bank BNP Paribas am Morgen des 4. September 2014. An diesem Tag überraschte die Notenbank die Märkte mit einer Zinssenkung. Zudem fanden einige der Treffen auf dem Höhepunkt der Griechenlandkrise im Sommer 2015 statt, als im Rahmen zahlreicher Telefonkonferenzen wichtige Entscheidungen über die Notkredite für griechische Banken (Ela) anstanden.
Wirbel um EZB-Direktor Benoit Coeure
Laut FT wollten alle genannten Finanzdienstleister und die EZB-Direktoriumsmitglieder die Fälle auf Nachfrage nicht kommentieren. Ende Oktober hatte die EZB angekündigt, erstmals im Februar 2016 die Terminkalender ihrer Direktoriumsmitglieder zu veröffentlichen. Dabei werden auch Treffen mit Akteuren außerhalb der EZB im Kalender erscheinen. Damit wolle man die Transparenz- und Rechenschaftsverpflichtung unterstreichen, so die Notenbank.
Allerdings würden Ausnahmen gemacht, falls das öffentliche Interesse gefährdet werde. Die Kalender sollen rückwirkend mit einer Zeitverzögerung von drei Monaten veröffentlicht werden. Es werden also Termine ab dem 1. November 2015 dargestellt.
Der Druck auf die EZB, für mehr Transparenz zu sorgen, war gestiegen, nachdem eine Rede des EZB-Direktors Coeure im Mai dieses Jahres für Wirbel gesorgt hatte. Coeure hatte vor einem Kreis ausgewählter Vertreter aus der Finanzbranche gesagt, dass die EZB wegen der geringeren Handelsaktivität in den Sommermonaten einen Teil ihrer Wertpapierkäufe vorziehen werde. Diese Information wurde erst am folgenden Tag veröffentlicht und führte zu deutlichen Kursbewegungen an den Finanzmärkten.