Banken in der Zinsfalle: Was das für Kunden bedeutet
Stand: 17.06.2016
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Frankfurt/Main - In Folge der Niedrigzinspolitik in Europa lohnt sich das Sparen kaum noch. Müssen Bankkunden nun auch noch höhere Gebühren oder gar Strafzinsen zahlen? Viele Institute haben bereits reagiert.
Warum dreht die Finanzbranche an der Gebührenschraube?
Banken verdienten lange gut daran, für Kredite mehr Geld zu kassieren als sie ihren Kunden an Zinsen fürs Sparen zahlten. Doch die Differenz aus beiden Positionen, der Zinsüberschuss, wird kleiner, weil die Europäische Zentralbank (EZB) das Zinsniveau extrem gesenkt hat. "Alle Empfehlungen, diese Ertragsquelle durch höhere Provisionserträge auszugleichen, sind ... nicht umsetzbar", sagt der Chef der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Herbert Hans Grüntker. Sorge bereitet den Instituten zudem, dass immer mehr Kunden Gelder kurzfristig parken - während bei Krediten möglichst lange Laufzeiten gefragt sind.
Ist ein Ende des Zinstiefs absehbar?
Nein. Anfang Juni stimmte EZB-Präsident Mario Draghi die Finanzmärkte erneut auf eine lange Phase extrem niedriger Zinsen ein. Erst im März hatten die Währungshüter den Leitzins erstmals auf null Prozent gesenkt. Zudem flutet die Notenbank die Märkte bis mindestens März 2017 über Anleihenkäufe mit Geld - und nimmt auf diesem Feld Banken Geschäft weg. Die EZB will mit dem vielen billigen Geld Konjunktur und Inflation anheizen, doch das fruchtet bisher nicht wie erhofft.
Profitieren Banken nicht vom niedrigen Leitzins?
In der Tat kostet Notenbankgeld die Banken nichts mehr. Allerdings sind sie gezwungen, das billige Geld auch weiterzureichen und mit Krediten die Wirtschaft anzuschieben. Denn für überschüssige Liquidität, die bei der EZB geparkt wird, verlangt die Notenbank inzwischen 0,4 Prozent Strafzinsen. Doch die Kreditvergabe stockt, viele Mittelständler gerade in Deutschland haben genug eigene Reserven oder halten sich wegen der unsicheren Lage auf den Weltmärkten mit Investitionen zurück.
Ist das Zinstief die einzige Herausforderung für Banken?
Nein. Die Branche muss immer strengere Auflagen der Regulatoren erfüllen - das treibt die Personal- und Kapitalkosten in die Höhe. Und dann gilt es auch noch, den digitalen Wandel zu schaffen: Viele Kunden erledigen ihre Bankgeschäfte online, die klassische Filiale ist immer weniger gefragt. Darauf müssen Banken reagieren - und sehen sich dabei zusätzlich von jungen Fintechs getrieben, die mit schnellen Lösungen den etablierten Häusern Konkurrenz machen.
Wie lautet die Antwort der Finanzbranche?
Viele Institute drehen an der Gebührenschraube. Die Zeiten des kostenlosen Girokontos seien vorbei, verkündete Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon im März und stimmte Kunden auf höhere Gebühren ein. Die Sparda-Banken kündigten Preissteigerungen "auf breiter Front" an - etwa für Dienstleistungen wie Überweisungen in Papierform oder die Girocard. Die Postbank mit ihren 14,3 Millionen Kunden kassiert bereits seit einem Jahr 99 Cent für Überweisungen, die nicht online ausgeführt werden. Dazu zählen auch Scheckeinreichungen. Etliche Sparkassen lassen es sich unter anderem teuer bezahlen, wenn Kunden Münzgeld am Schalter einzahlen wollen.
Was genau macht die GLS Bank?
Das Bochumer Institut kündigte Anfang Februar an, absehbar einen monatlichen Grundbeitrag von ihren Kunden und Mitgliedern erheben zu wollen - also einen Beitrag, der nicht an eine bestimmte Dienstleistung gekoppelt ist. "Wir fragen uns schon seit einem Jahr: Ist der Kunde bereit, für Infrastruktur, Beratung etc. einen Grundbeitrag monatlich zu zahlen?", erklärte der Chef von Deutschlands größter Alternativbank, Thomas Jorberg. Es sei "eine Grundbereitschaft da, einen Mitgliedsbeitrag zu zahlen, damit die GLS Bank ihre Arbeit, so wie sie sie bisher macht, weitermachen kann".
Müssen Privatkunden auch mit Strafzinsen auf Ersparnisse rechnen?
Noch scheut die Branche davor zurück. "Es ist der Anspruch, Privatkunden weitestgehend vor den Folgen der Negativzinsen zu verschonen", betonte Anfang Juni Helaba-Chef Grüntker, zu dessen Konzern die Frankfurter Sparkasse gehört und damit die nach Bilanzsumme viertgrößte Sparkasse Deutschlands. Im Lager der Volks- und Raiffeisenbanken wird ebenfalls diese Linie gefahren. Es gibt allerdings vereinzelte Ausnahmen - wenn auch nur für reiche Kunden.
Wie sieht es bei Unternehmenskunden aus?
An Firmenkunden und Profianleger wie Versicherungen und Pensionsfonds gibt die Branche die höheren Kosten längst weiter. Häuser wie Commerzbank oder Helaba handeln mit Großkunden individuelle Lösungen aus. "Nullzins auf einem täglich verfügbaren Konto ist ein subventionierter Zins", hatte der zum 1. Mai abgelöste Commerzbank-Chef Martin Blessing den Schritt begründet.