Anlageberatung: Besserer Schutz ohne Protokoll?
Stand: 13.01.2016
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Düsseldorf - Wer von einem Finanzberater falsche Ratschläge bekommt, kann bei Verlusten auf Schadenersatz pochen. Allerdings liegt die Beweislast beim Kunden. Darauf weist Markus Feck von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hin.
Hier sollen eigentlich Beratungsprotokolle helfen. Seit 2010 müssen Geldinstitute jedes Beratungsgespräch zu Wertpapieren dokumentieren. Seit 2013 gilt diese Pflicht auch für Finanzanlagenvermittler. Anhand der Protokolle sollen geschädigte Anleger vor Gericht nachweisen können, wie die Beratung gelaufen ist und was im Zweifel falsch lief. Soweit die Theorie. In der Praxis allerdings hat das - zumindest aus Sicht von Verbraucherschützern - allzu oft nicht richtig geklappt.
Standard-Protokolle helfen nicht
"Die Protokolle enthalten viele Phrasen", sagt Feck. Sie seien häufig unkonkret formuliert. "Außerdem gibt es kaum Felder, die der Berater frei ausfüllen kann. Meist kreuzt er vorgefertigte Aussagen an." In der Regel könnten die Protokolle also keine individuelle, bedarfsgerechte Beratung abbilden.
Das sieht Herbert Jütten vom Bundesverband deutscher Banken allerdings etwas anders: "Nach unseren Erfahrungen hat sich das Beratungsprotokoll bewährt und wird von den Kunden angenommen." Außerdem würden die Beratungsprotokolle regelmäßig von der Bundesfinanzaufsicht (BaFin) kontrolliert.
Falsch- oder Fehlberatung?
Dennoch: Falschberatung anhand eines Beratungsprotokolls zu belegen, ist aus Sicht von Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) nicht einfach. "Die Grenzen zwischen Falschberatung und Fehlberatung sind fließend", sagt Mohn. Sie kritisiert, dass Anleger generell häufig nicht bedarfsgerecht beraten werden. Dabei stützt sie sich auf eine Studie der Initiative Finanzmarktwächter des vzbv. Danach sind Empfehlungen für Anleger oft mit zu hohen Kosten verbunden. Geld, das beim Vermögensaufbau fehlt.
Protokolle sollen abgeschafft werden
Allerdings werden die Beratungsprotokolle in ihrer jetzigen Form in den kommenden Jahren voraussichtlich abgeschafft. Das sehen zumindest Pläne der Bundesregierung vor, die sich auf die europäische Finanzmarktrichtlinie MiFID II beziehen. "Genau genommen werden die Beratungsprotokolle aber nicht ersatzlos gestrichen", sagt Dorothea Mohn. Stattdessen werden sie durch eine sogenannte Geeignetheitserklärung ersetzt. Bis 2018 müssen die Regeln umgesetzt werden.
"Wie eine künftige Geeignetheitserklärung im Detail auszusehen hat, muss aber noch im Gesetzesverfahren auf europäischer Ebene geklärt werden", sagt Herbert Jütten. Aus seiner Sicht wird es für den Anleger voraussichtlich nur kleinere Änderungen geben. Dorothea Mohn hingegen sieht Chancen für Verbesserungen: "Die Qualität der Protokolle könnte sich verbessern, denn die europäischen Vorgaben sind strenger." Ihre Erwartung: Banken müssen künftig bei Wertpapiergeschäften dezidierter erläutern, warum ein empfohlenes Produkt zu dem Kunden passt. Außerdem sollten Berater ihrer Meinung nach die Kunden auch nach Schulden und finanziellen Verpflichtungen fragen müssen.
Alte Protokolle gelten weiter
Solange die neuen Regeln nicht gelten, bleibt das Beratungsprotokoll in der bekannten Form bestehen, erklärt Jütten. Und auch danach gelten bereits erstellte Beratungsprotokolle immer noch, ergänzt Mohn. "Wer also das Gefühl hat, er wurde falsch beraten, kann sich weiterhin auf das Beratungsprotokoll berufen."
Kunden sollten sich aber nicht nur auf das Protokoll allein verlassen, rät Feck. Besser ist es, zum Beratungsgespräch eine weitere Person mitzunehmen. "Sie sollte kritisch zuhören und darauf achten, ob der Berater ihre Risikoneigung und ihre Bedürfnisse berücksichtigt", sagt der Jurist. Bei möglichen Streitigkeiten kann der Beobachter später als Zeuge dienen. Dafür muss er aber unbeteiligt bleiben - also den Anlagevertrag nicht unterschreiben - sonst kann er vor Gericht als Zeuge nicht mehr aussagen.
Klagen genau prüfen
Wer das Gefühl hat, dass er falsch beraten wurde, kann sich Unterstützung von einem Fachanwalt oder in den Verbraucherzentralen holen. Zusätzlich sollten Verbraucher dann Beweise sammeln - etwa den E-Mail-Verkehr mit dem Berater auf Produktempfehlungen oder eigene Risikoeinschätzungen durchgehen, empfiehlt Feck.
Ob sich eine Klage lohnt, muss sorgfältig abgewogen werden, sagt Mohn. "Prozesskosten und die Erfolgsaussichten vor Gericht müssen eingeschätzt werden", erklärt sie. Kunden können sich auch an eine Schlichtungsstelle wenden. Wenn die Beschwerde Bestand hat, kann der Ombudsmann einen Kompromiss zwischen den Parteien entwickeln.