Alltag wird teurer: Gefühlte Inflation liegt bei vier Prozent
Stand: 15.04.2011
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Frankfurt/Main - Ob Kaffee, Strom oder Sprit: Die Dinge des täglichen Lebens werden zurzeit spürbar teurer. Schon hat mehr als jeder dritte Deutsche Angst, die Inflation werde sein Vermögen minimieren. Die Sorge ist jedoch überzogen, denn im März lag die Jahresteuerung bei 2,1 Prozent - und damit zwar etwas über der Warnschwelle der Währungshüter, aber weit unter einer Reihe früherer Werte zu Euro-, aber vor allem auch zu D-Mark-Zeiten.
Doch immer mehr Ökonomen warnen vor weiter steigenden Preisen. Bundesbank-Präsident Axel Weber hält einen Anstieg der Inflation in Deutschland auf "knapp unter drei Prozent" zum Jahresende für nicht ausgeschlossen. Auch Europas Währungshüter sehen Risiken für die Preisstabilität und treten bereits behutsam auf die Bremse: Die EZB hat den Leitzins im Euroraum leicht auf 1,25 Prozent erhöht und damit den Ausstieg aus ihrer Krisenpolitik des ultra-billigen Geldes eingeleitet.
Für die Konjunkturlokomotive Deutschland ist die EZB-Geldpolitik damit immer noch sehr expansiv. In der Folge könnten die Preise steigen, denn das kräftige Wachstum weckt Begehrlichkeiten. Noch wirke der recht schwache Lohnauftrieb bremsend, sagt Commerzbank-Volkswirt Ralph Solveen. Neue Tarifabschlüsse könnten das angesichts der Entspannung am Arbeitsmarkt mit einer Beschäftigung auf Rekordniveau aber jederzeit ändern - und eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, vor der Europas oberster Währungshüter Jean-Claude Trichet bei jeder Gelegenheit eindringlich warnt.
Im Moment sieht Solveen jedoch insbesondere höhere Kosten der Unternehmen kritisch: "Sowohl Erzeuger- als auch Importpreise sind zuletzt kräftig gestiegen - auch wenn man die Energiepreise heraus rechnet." Umfragen zeigten, dass die Unternehmen sich zutrauten, die Kosten an ihre Kunden weiterzugeben.
Ulrike Rondorf von der Commerzbank ist überzeugt: "Der Nährboden für höhere Teuerungsraten ist bereitet und wir erwarten, dass die Verbraucherpreise in den kommenden Jahren stärker zulegen dürften als in den vergangenen zehn Jahren." Inflationsraten von über zwei Prozent könnten nicht mehr die Ausnahme sein, sondern die Regel.
Der Druck an der Preisfront ist zum Teil hausgemacht, wie das Beispiel E10 zeigt. Im März kosteten Kraftstoffe 11,2 Prozent mehr als vor einem Jahr und satte 5,1 Prozent mehr als im Februar. Weil die Autofahrer den von der Politik vorgesetzten Biosprit ablehnen, führen die Mineralölkonzerne herkömmliches Super wieder ein - und zocken dabei die Kunden ab, schimpft ADAC-Sprecher Klaus Reindl: "Das ist der dreiste Versuch, den Autofahrern das Geld aus der Tasche zu ziehen."
Zum Teil ist die Inflation aber auch importiert. Die Unruhen in der arabischen Welt verunsichern die Märkte, die eine Ölknappheit fürchten.
Auch Nahrungsmittel werden spürbar teurer. Ein Ende ist nicht abzusehen: Denn durch den wachsenden Wohlstand in den Schwellenländern oder die steigende Nachfrage nach Biokraftstoffen werden weltweit immer mehr Rohstoffe nachgefragt, auch Lebensmittel. Wenn das Angebot nicht mitwächst, führe dies langfristig zu einem beträchtlichen Aufwärtsdruck bei den Preisen, warnen Experten der Deutschen Bank. Betroffen seien allerdings vor allem Menschen in Schwellenländern, die mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben.
Aber auch hierzulande dürfte es viele schmerzen, wenn sie für Kaffee fast 15 Prozent mehr bezahlen müssen als vor einem Jahr. Zumal Preisveränderungen bei Gütern des täglichen Bedarfs in einem höheren Maße wahrgenommen werden, wie Alexander Koch von der UniCredit betont. Die gefühlte Inflation liege derzeit bei rund vier Prozent, rechnet er vor - also nahezu doppelt so hoch wie die vom Statistischen Bundesamt errechnete Jahresteuerung.
Dieser gefühlte Preisschub macht sich umso deutlicher im Geldbeutel bemerkbar, je weniger Geld ein Mensch hat: "Generell haben die Verbraucher mit geringen Haushaltseinkommen die höchste Konsumneigung", betont Koch und kommt zu dem Ergebnis: "Die gestiegenen Energie- und Nahrungspreise treffen die Niedrigverdiener besonders stark." Denn während Haushalte mit einem Monatseinkommen zwischen 5000 und 18.000 Euro "nur" knapp 13 Prozent für Energie und Nahrungsmittel ausgeben, bezahlen Geringverdiener mit Einkommen unter 900 Euro dafür weit mehr als ein Drittel (35,5 Prozent).