Überangebot an Gas macht Energiekonzernen zu schaffen
Stand: 03.01.2011
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Frankfurt - Gas ist flüchtig - das müssen seit einiger Zeit auch die Energiekonzerne in Europa feststellen. Das bisher ebenso stabile wie lukrative Gasgeschäft ist durch ein unerwartetes Überangebot aus den Fugen geraten und macht den etablierten Akteuren zu schaffen. Dies setzt die Gaspreise unter Druck. E.ON Ruhrgas, der größte Gasimporteur Deutschlands, rechnet für 2011 erstmals mit einem Verlust. Der Konzern befürchtet ein Minus von bis zu einer Milliarde Euro.
Lange war Gas ein bequemes Geschäft. Als Anfang der 1970er Jahre Ruhrgas die ersten Lieferverträge mit der Sowjetunion schloss, koppelte man den Gaspreis ans Öl. Eine für beide Seiten faire und transparente Lösung mitten im Kalten Krieg. Angebot und Nachfrage spielten bei der Bestimmung des Gaspreises keine Rolle.
Gas- und Ölmarkt driften auseinander
Diese Vereinbarungen gelten beim Bezug von Gas aus den Pipelines bis auf kleine Veränderungen bis heute. Dabei driften Gas- und Ölmarkt spätestens seit dem Ende der Wirtschaftskrise weit auseinander. Denn während der Ölpreis längst wieder steigt und Experten neue Höchstwerte schon in diesem Jahr für möglich halten, ist bei Gas an den kurzfristigen Spotmärkten keine Erholung in Sicht. Erst in frühestens fünf Jahren dürfte sich das ändern, heißt es in der Branche.
Das hat mehrere Gründe: So erlebt die Gasförderung dank neuer Technologien derzeit eine Revolution. Sie ermöglichen die Förderung aus sogenannten unkonventionellen Quellen. Lange hieß es, diese Vorkommen seien nicht wirtschaftlich auszubeuten. Doch die seit Anfang des Jahrzehnts von US-Firmen entwickelten neuen Fördertechnologien erlauben es nun, dieses in porösen Schiefer- und Sandsteinschichten gefangene Gas zu fördern. Es soll bis zu 90 Prozent aller Gasreserven ausmachen. Auch in Deutschland werden Quellen vermutet.
In den USA ist die Förderung bereits so erfolgreich, dass das Land weniger Gas importieren muss. Zuvor bezog das Land einen Großteil seines Gases aus den Ländern des Persischen Golfs. Es wird in verflüssigter Form - der Fachbegriff lautet LNG für Liquefied Natural Gas - auf Schiffen transportiert. Dieses Erdgas wird nun verstärkt nach Europa gebracht, zumal der Verbrauch in den USA wegen der anhaltenden Schwäche der Wirtschaft deutlich gesunken ist. Das bringt das bisherige Quasi-Monopol für Gas aus Pipelines in Europa ins Wanken, zumal ständig neue LNG-Terminals in den Häfen gebaut werden.
Importeure sind vertraglich gebunden
Auf die gesunkenen Preise können die Importeure wie E.ON und RWE bislang aber kaum reagieren. Sie sind an langfristige Lieferverträge mit dem russischen Gasriesen Gazprom gebunden. Ihre Abnehmer, die das Gas an die Verbraucher weitergeben, drängen aber auf Preisnachlässe. Seit Monaten verhandelt E.ON, das sich als Vorreiter für die gesamte Branche sieht, über eine Lockerung. Doch die Russen pochen auf die Bindung an den Ölpreis. Gazprom-Chef Alexej Miller begründet dies damit, dass Gas zunehmend Öl ersetze. Gas sei keine klassische Börsenware, sagte er dem "Spiegel". Zudem sei die bisherige Regelung weniger schwankungsanfällig.
Die starre Haltung von Gazprom könnte sich als Eigentor erweisen. Es erhöht den Druck, sich von dem russischen Staatskonzern unabhängig zu machen. Längst investieren viele Versorger in eine eigene Förderung. Ein gigantischer Gasfund vor der israelischen Küste könnte den Druck auf Gazprom erhöhen - es soll sich nach Angaben aus den vergangenen Tagen um den weltweit größten der vergangenen zehn Jahre handeln. Auch die von der Europäischen Union geförderte Nabucco-Pipeline, die einmal Gas aus dem Kaspischen Raum unter Umgehung von Russland nach Europa bringen soll, passt Gazprom nicht.
Verbraucher können von Wettbewerb profitieren
Gewinner des tiefen Umbruchs im Gasgeschäft könnten am Ende die Verbraucher sein. Der Wettbewerb dürfte sich verschärfen - und damit die Preise auch für Privathaushalte unter Druck setzen. Schon zum Jahreswechsel gab es kein einheitliches Bild. Während die Preise durchschnittlich um 7,4 Prozent stiegen, senkten einige Anbieter sogar die Preise. Dies macht ein Wechsel des Gasanbieters besonders attraktiv.