Russland räumt geringere Gaslieferungen nach Europa ein
Stand: 06.02.2012
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Moskau/Rom - Zunächst wollten Russland und der Staatskonzern Gazprom die Gas-Lieferschwierigkeiten nach Europa nicht bestätigen. Inzwischen wurden Probleme eingeräumt - neue Leitungen sollen Abhilfe schaffen. Italien befürchtet Engpässe.
Für Russlands "obersten Gasmanager" Wladimir Putin liegt die Ursache für die Probleme bei den Energielieferungen an Deutschland und andere EU-Länder auf der Hand. Ja, die Energiegroßmacht müsse in der Extremkälte zuerst an den gestiegenen Eigenbedarf denken und erst dann an die Kunden im Westen. Das betont der Regierungschef bei einem Treffen mit der Spitze des Staatskonzerns Gazprom. Aber dass Versorger in der EU Lieferkürzungen bis zu 30 Prozent bei russischem Gas beklagen, zeige nur, wie nötig neue Gasleitungen von Russland nach Westen seien, sagt Putin.
Keine Notlage, aber Lieferkürzungen
Die Gazprom-Führung gibt bei dem Treffen mit Putin erstmals zu, nicht im gewünschten Umfang an den Westen liefern zu können. Betroffen ist auch Deutschland als größter Gas-Abnehmer in der EU. Eine Notlage bestehe allerdings nicht, weil die Speicher gut gefüllt seien, betonen die Energieversorger. Tagelang hatte Gazprom jede Schuld für die Kürzungen von sich gewiesen. Nun bestätigt die Konzernleitung, dass die Lieferungen nur zeitweise um etwa zehn Prozent gedrosselt worden und jetzt wieder auf Vertragsniveau seien.
Schuld an der Lage hätten diejenigen, die sich lange gegen die Ostseepipeline Nord Stream gewehrt hätten, meint Putin. Die Inbetriebnahme des ersten Strangs der Leitung feierten Deutsche und Russen im vergangenen November in Lubmin als Beitrag zur Energiesicherheit in Europa. Putin fehlte bei dem Festakt. Hätte es keine Verzögerungen gegeben, sagt er nun, wäre längst schon der zweite Strang der 1224 Kilometer langen Pipeline zwischen Russland und Deutschland am Netz.
Technische Grenzen
"Gazprom könnte schon neue Förderstätten erschlossen haben, darunter auch in Bowanenkowskoje. Auch auf dem Stockman-Feld in der Barentssee könnte das Unternehmen aktiver arbeiten. Ich bin sicher, dass es dann solche Probleme nicht gegeben hätte", sagt Putin. Er hatte unlängst vorgeschlagen, entlang der Nord-Stream-Leitung weitere Stränge verlegen zu lassen. Im Dezember soll drei Monate früher als geplant die South-Stream-Leitung in den Bau gehen.
Russland will bei Bedarf seinen Gasexport in die EU von derzeit etwa 125 Milliarden Kubikmeter bis 2020 auf 200 Milliarden Kubikmeter erhöhen können. Doch vorerst muss der größte Gasförderer und -Exporteur der Welt passen. Es gebe technische Grenzen, teilt die Gazprom-Spitze beim Treffen mit Putin mit. Allein die Gasförderung von Gazprom sei auf ein Maximum von 1,6 Milliarden Kubikmeter am Tag gestiegen. Zudem würden noch die Speicher angezapft.
Extremfrost ist Schuld
Der Grund ist der seit Tagen herrschende Extremfrost mit bisweilen um die minus 50 Grad in Sibirien und im äußersten Osten. Deshalb ist der Gasverbrauch im größten Land der Erde erstmals überhaupt auf mehr als zwei Milliarden Kubikmeter am Tag gestiegen. Das seien 300 bis 400 Millionen Kubikmeter mehr als normal, heißt es.
Wegen des Megafrosts sei die Gasförderung gestiegen, hatte Konzernvize Alexander Medwedew mehrfach erklärt, als der Westen Kürzungen beklagte. Einmal mehr lenkte er den Blick auf die Ukraine, das wichtigste Transitland in die EU. Die Ex-Sowjetrepublik sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, illegal russisches Gas abzuzapfen. Auch die Ukraine, die stets zu hohe Preise für russisches Gas kritisiert, hat angesichts von Temperaturen von gebietsweise um die minus 30 Grad Celsius einen Rekordverbrauch.
Vorwürfe gegen Ukraine
Doch auch am Wochenende weisen der ukrainischen Energieversorger Naftogas sowie die Regierung in Kiew Vorwürfe zurück, sie würden mehr entnehmen als vereinbart. Die Ukraine sei sogar bereit, aus eigenen Speichern die russischen Lieferzusagen an den Westen abzusichern. Das sind ungewohnt freundliche Worte, nachdem Kiew und Moskau zuletzt 2009 einen "Gas-Krieg" ausgefochten hatten. Damals blieben auch in der EU viele Wohnungen kalt, als Russland den Gashahn im Streit um den Preis ganz abgedreht hatte.
Und am Rande der Sicherheitskonferenz in München spricht sich Kiews Präsident Viktor Janukowitsch russischen Agenturen zufolge dafür aus, das nur zu zwei Dritteln genutzte Pipelinenetz der Ukraine für den Transit zu modernisieren. An einem Pipeline-Konsortium, um das marode Transitnetz auf Vordermann zu bringen, hat auch Putin immer wieder Interesse gezeigt.