Rekord-Ölpreise fressen deutsches Wirtschaftswachstum
Stand: 25.08.2005
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Frankfurt/Main (dpa) - Die Ölpreise steigen von Rekord zu Rekord und gefährden den ohnehin zaghaften Wirtschaftsaufschwung in Deutschland. Die Konjunktur hat im zweiten Quartal auch wegen der hohen Preise für Heizöl, Gas und Benzin nur stagniert. "Das Öl ist eines der grössten Risiken für die Wirtschaft", sagt Volkswirt Stefan Bielmeier von der Deutschen Bank. Nach Schätzungen werden die Rekordölpreise das Wachstum in diesem Jahr um 0,3 Prozentpunkte schmerzhaft bremsen. Auch deshalb kommt die Konjunktur hier zu Lande einfach nicht in Fahrt und soll 2005 nur um maximal 1,0 Prozent wachsen.
"Die real verfügbaren Einkommen geraten unter die Räder", sagt Ralph Solveen von der Commerzbank. Zwei Drittel der Wirtschaftsleistung entfallen auf den privaten Konsum. Es beginnt ein Teufelskreis: Die hohen Energiekosten bedrohen die Gewinne der Unternehmen, die zudem schlechte Absatzaussichten haben. Die Firmen investieren weniger, schaffen keine neuen Arbeitsplätze und zahlen niedrigere Löhne, wodurch die Einkommen sinken und weniger konsumiert wird, so lautet die Argumentation.
Der Import von Erdöl und Erdgas wird die deutsche Volkswirtschaft in diesem Jahr rund 16 Milliarden Euro mehr kosten als im Vorjahr. Das schreiben die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute in ihrem Frühjahrsgutachten. "Der Einkommensentzug wäre rund drei Mal so gross wie 2004." Kostete ein Barrel Öl (159 Liter) 2004 im Jahresdurchschnitt erst 38 Dollar, waren es im Durchschnitt der ersten sieben Monate 2005 bereits 52 Dollar. Die historische Marke von 60 Dollar ist gebrochen. Im August setzte sich der Höhenflug fort. Am Mittwochabend erreichte der US-Ölpreis ein neues Rekordhoch von 68,00 Dollar je Barrel. Experten prognostizieren, dass der Atom- Streit zwischen Iran und dem Westen den Ölpreis sogar auf 80 Dollar und mehr treiben könnte.
Die Auswirkungen hoher Ölpreise zeigen sich oft erst nach einem halben Jahr. "Wir werden 2006 noch grössere Bremseffekte sehen", sagt Volkswirt Milleker. Bislang hat die starke Weltwirtschaft mit ihrer robusten Nachfrage einen Ölpreisschock in Deutschland verhindert. Die Erdöl exportierenden Länder geben ihre zusätzlich kassierten Milliarden vielfach zum Kauf von Investitionsgütern im Ausland aus, wovon deutsche Hersteller besonders profitieren. Die Exporte der Maschinenbauer zum Beispiel wuchsen seit Januar jeden Monat zweistellig. "Wir sehen die hohen Ölpreise daher mit einem lachenden und einem weinenden Auge", sagt der Volkswirt des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Olaf Wortmann.
Im Gegensatz zu früher wurde der neueste Ölpreisschub von der gestiegenen globalen Nachfrage verursacht. "Deshalb sind damit weniger Störungen verbunden als bei den Preissteigerungen in der Vergangenheit, die in erster Linie durch Engpässe beim Angebot hervorgerufen wurden", sagt der Chef des Internationalen Währungsfonds IWF, Rodrigo Rato. Da die Wirtschaft seit den 70er Jahren Energie spart und weniger verbraucht als früher, hat Europas Abhängigkeit vom Rohöl abgenommen.
Seit Jahresbeginn hat der Währungskurs die Belastung für die deutsche Wirtschaft noch verschärft. 2004 machte der starke Euro die in Dollar ausgestellten Ölrechnungen für europäische Firmen lange erträglich. Seit seinem Höchststand von 1,36 Dollar im Dezember 2004 hat der Euro gegenüber dem Dollar aber mehr als ein Zehntel an Wert verloren. Die Euro-Länder müssen für das in Dollar gehandelte Öl mehr zahlen. "Der hohe Ölpreis tut jetzt doppelt weh", sagt Analyst Bielmeier.
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