Ostdeutscher Gasimporteur VNG wird 50
Stand: 08.09.2008
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Leipzig (dpa) - Zur Geburtstagsfeier sind dunkle Wolken aufgezogen: Der deutschlandweit drittgrößte Gasimporteur, die Leipziger Verbundnetz Gas AG VNG, wird 50 und sieht in eine ungewisse Zukunft. Im Machtkampf um die künftige Kontrolle über das Unternehmen ist der Streit unter den Anteilseignern schärfer geworden. Der Geburtstag wird an diesem Mittwoch (10. September) im Leipziger Gewandhaus gefeiert. Eingeladen zu dem Festakt ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU).
EWE ist mit knapp 48 Prozent Hauptaktionär bei VNG. Erklärtes Ziel der EWE ist es, durch Zukäufe kommunaler Anteile die Mehrheit an VNG zu bekommen. EWE-Chef Werner Brinker bekräftigt allerdings immer wieder, es bestehe kein Interesse an einer Standortverlegung. In Leipzig wird dies mit Skepsis gesehen. VNG-Chef Ewald Holst äußert sich in der Öffentlichkeit zwar zurückhaltend, merkt aber dennoch an, Ziel beim Einstieg von EWE als strategischer Partner sei es gewesen, das ostdeutsche Unternehmen als fünften großen Wettbewerber auf dem Markt zu etablieren. Das sei nicht erreicht worden.
Die Stadtwerke Jena-Pößneck (1,04 Prozent Anteile) planen, ihre VNG-Anteile zum 1. Januar 2009 an EWE zu verkaufen. Dagegen haben die Stadtwerke Neubrandenburg und Annaberg-Buchholz vor dem Landgericht Gera geklagt. Termin ist am 17. September. Außerdem hat die VuB den Stadtwerken Jena ein Angebot zum Anteilskauf gemacht. Denn: Rutschen die Anteile der ostdeutschen Kommunen unter die 25-Prozent-Grenze, verlören sie ihre Sperrminorität. Als Wackelkandidat werden auch die Stadtwerke Halle gehandelt.
Die Stadtwerke Jena votierten bei der Abstimmung über die Kündigung des Konsortialvertrages am 1. September mit Nein. Selbst wenn die ostdeutschen Kommunen ihre Sperrminorität verlören und die Oldenburger das Sagen bekämen, bliebe VNG mit der EWE in kommunaler Hand, sagte eine Sprecherin.
Mittlerweile kommt Druck aus der Politik, die Eigenständigkeit des ostdeutschen Vorzeigeunternehmens VNG zu erhalten. Das Bundeswirtschaftsministerium soll intervenieren. EWE war bei VNG nach der Fusion von E.ON und Ruhrgas als strategischer Partner eingestiegen. Die Fusion war 2003 unter anderem unter der Auflage genehmigt worden, dass diese beiden Anteilseigner ihre Anteile an VNG abgeben müssten. Das Bundeswirtschaftsministerium machte indessen zwischenzeitlich deutlich, dass die sogenannte Ministererlaubnis rechtliche keine Handhabe böte, um EWE zur Kehrtwende zu bewegen.
Mit 165,2 Milliarden Kilowattstunden hatte VNG im Geschäftsjahr 2007 dank verstärkter Lieferungen nach Polen und Italien einen Absatzrekord eingefahren und einen Gewinn von 130,4 Millionen Euro gemacht. Mit neuen Absatzmärkten und Geschäftsfeldern will VNG weiter auf Wachstum setzen. Aus dem ostdeutschen Importeur ist mittlerweile ein europaweit tätiges Energieunternehmen mit zahlreichen Töchtern und Beteiligungen geworden. Hauptlieferant von Erdgas ist seit 35 Jahren die heutige vom Kreml kontrollierte russische Gazprom. Zweitwichtigster Partner ist Norwegen. Mit dem Erwerb von Lizenzen in Norwegen ist VNG zudem in die Förderung eingestiegen.
Ihre Wurzeln hat die VNG in der 1958 in der DDR gegründeten "Technischen Leitung Ferngas" Dessau, aus der 1969 der VEB Verbundnetz Gas gebildet wurde, der die Verantwortung für das Ferngasverbundsystem der DDR-Gaswirtschaft trug. Nach der Wende war VNG der erste von der damaligen Treuhand erfolgreich privatisierte Großbetrieb.