Nordsee-Öl vor dem Aus? Niedriger Ölpreis deckt kaum die Kosten
Stand: 22.01.2015
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Hamburg - Öl aus der Nordsee deckt einen großen Anteil des deutschen Bedarfs. Doch der aktuelle Ölpreis reicht kaum aus, um die Kosten der Förderung zu decken. Die Branche steht vor grundlegenden Veränderungen.
Die Ölförderer in der Nordsee schlagen Alarm. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der Ölsorte Brent pendelt sich offenbar nachhaltig unterhalb der Marke von 50 Dollar ein, das ist ungefähr das Niveau von 2009. Und für die Ölindustrie eine Katastrophe. "Wir stehen kurz vor dem Kollaps", sagt Robin Allan, Chef des britischen Branchenverbandes Brindex, der vor allem kleinere Ölfirmen vertritt. "Beim derzeitigen Ölpreis ist es fast unmöglich, Geld zu verdienen."
Investitionen auf dem Prüfstand
Das ist eine dramatische Trendwende für die Nordsee-Ölindustrie und vielleicht der Anfang von ihrem Ende. Noch vor zwei Jahren hatte die Branche Investitionen von 120 Milliarden Dollar in die Nordsee-Ölförderung angekündigt - verbunden mit der Aussicht, die Produktion vielleicht noch einmal steigern zu können. Doch nun stellen die Förderunternehmen, ihre Lieferanten und Dienstleister alle Investitionspläne auf den Prüfstand oder legen sie auf Eis.
Die Ölfelder in der Nordsee sind alt und erschöpfen sich. Zu den besten Zeiten, Ende der 90er Jahre, wurden mehr als 250 Millionen Tonnen Rohöl pro Jahr in der Nordsee gefördert. Danach war der Zenit überschritten und die Produktion ging immer schneller zurück. Mittlerweile ist die Förderung nicht einmal mehr halb so hoch wie vor 20 Jahren.
"Preisschock wird die Ölwelt langfristig verändern"
Mit immer größerem technischen Aufwand haben es die Förderunternehmen geschafft, weiter Öl aus den Feldern herauszuholen. Speziell die Norweger gelten als Weltmeister darin, die Lagerstätten maximal auszufördern. Aber das kostet auch viel Geld. Seit 2011 sind auf den Ölfeldern vor der Küste Schottlands die Förderkosten um mehr als 60 Prozent gestiegen. Die Zulieferer und Service-Unternehmen haben beim Ölpreis oberhalb von 100 Dollar ihren Teil vom Kuchen abbekommen.
Doch der Ölpreis hat sich seit vergangenen Sommer mehr als halbiert. "Dieser Preisschock wird die Ölwelt langfristig verändern", sagt der Hamburger Energieexperte Steffen Bukold. "Die Renditerisiken teurer Ölprojekte und alternativer Energieangebote müssen nun grundsätzlich anders bewertet werden." Riskante Hochpreisprojekte würden es von nun an schwer haben, Investoren oder Kreditgeber zu finden.
Arbeitsplätze in Gefahr
In der schottischen Ölstadt Aberdeen geht die Angst um. Schon melden die ersten Ölkonzerne, dass sie ihr Personal reduzieren. In Norwegen stehen zehn Prozent der rund 100 000 Arbeitsplätze zur Disposition. Der staatliche Energiekonzern Statoil, dessen Geschäfte weit über die Öl- und Gasförderung in der Nordsee hinausreichen, will seine Kosten bis 2016 insgesamt um 1,3 Milliarden Dollar senken. Die norwegische Krone hat gegenüber dem Euro und dem Dollar schon kräftig abgewertet.
Die deutsche Förderung in der Nordsee ist vergleichsweise gering. Die Bohr- und Förderplattform Mittelplate im schleswig-holsteinischen Wattenmeer trägt rund 1,3 Millionen Tonnen jährlich zur deutschen Ölversorgung bei. "Die Erlössituation hat sich deutlich verschlechtert", sagt nun ein Sprecher des Betreibers RWE Dea. Ein laufendes Bohrprojekt werde noch abgeschlossen. Danach müsse man weitersehen.
Kosten senken, Effizienz erhöhen
Die Fördergebiete in der Nordsee wurden in den 70er Jahren nach dem ersten Ölpreisschock als Alternative zum Opec-Öl entwickelt. Heute trägt das qualitativ hochwertige Nordsee-Öl rund ein Viertel zur Versorgung Deutschlands bei, Norwegen und Großbritannien sind nach Russland die wichtigsten Öllieferanten. Seit der Ölkrise wird das Nordsee-Öl auch als strategische Ressource gesehen, um weniger abhängig von Lieferungen aus Russland und der Opec zu sein.
Die britische Öl- und Gasindustrie hat Schritte formuliert, die jetzt nötig sind, um wettbewerbsfähig zu bleiben. "Wir müssen erstens unsere Kosten senken und unsere Effizienz erhöhen", sagt Malcolm Webb, Chef des Verbandes Oil&Gas UK. Zudem müsse die Besteuerung der Gewinne aus der Öl- und Gasförderung reduziert werden. Britische Förderfirmen zahlten 60 bis 80 Prozent Steuern, gegenüber 20 Prozent in der übrigen Wirtschaft.