Kommentar: BGH-Verhandlung zu Gaspreiserhöhungen
Stand: 30.05.2008
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Heidelberg - Am 28.05.2008 fand eine mündliche Verhandlung des Bundesgerichtshofs unter Leitung des Richters Wolfgang Ball wegen einer gerichtlichen Überprüfung der Gaspreiserhöhung der Stadtwerke Dinslaken in den Jahren 2005 und 2006 statt. Energierechtsanwalt Hanno Blatzheim hat für Verivox eine Einschätzung der Verhandlung abgegeben.
Sollte eine Kontrolle der Preisbestandteile gesetzlich vorgeschrieben werden, müssten Zivilgerichte entscheiden, ab welcher Höhe der Gewinn eines Energieversorgers gegen das Gebot der möglichst preisgünstigen Versorgung mit Gas verstoßen würde. Eine solche Kontrolle der Gaspreise könne aber nicht Aufgabe der Gerichte sein, so der Vorsitzende.
Auch wurde die zugunsten des Energieverbrauchers zuvor ergangene Entscheidung des Landgerichts vom Vorsitzenden Richter als „sehr weitgehend“ bezeichnet, da die Versorgungsunternehmen ein schutzwürdiges Interesse daran hätten, ihre Bezugspreise gegenüber der Konkurrenz geheim zu halten.
Diese vom Senat geäußerte Rechtsmeinung steht diametral zu früheren wegweisenden Entscheidungen des BGH und der Oberlandesgerichte in kartellrechtlichen Verfahren zur Überprüfung von Strom und Gaspreisen.
Gerade bei der Gasversorgung hatten die Unternehmen noch bis Oktober 2006 eine Monopolstellung gegenüber Endverbrauchern. Da die Preiserhöhungen im vorliegenden Streitfall in den Jahren 2005 und 2006 fällig wurden, muss deren Billigkeit überprüft werden.
Von daher war es gerade bei Monopolunternehmen wie Gasversorgern (bis Oktober 2006) bei den Kartellsenaten immer üblich, neben einem so genannten Preishöhenmissbrauch auch einen Preisstrukturmissbrauch zu überprüfen (vergleiche dazu Beschluss des OLG München vom 04.03.1996 KART.5/94 „Gaspreis“). Nur wenn alle Preisbestandteile der gerichtlichen Kontrolle unterzogen werden, kann das Preisgefüge wirklich überprüft werden. Dabei wurde der Spielraum des Versorgers für eine Preiserhöhung vergleichsweise eng gefasst. So entschied das Bundeskartellamt durch Beschluss vom 25.10.1995 zum Az. B 8-40200-T-130/95, dass schon Preisunterschiede von nur 10 Prozent als Missbrauch anzusehen sind. Untersucht wurde in diesem Fall nicht allein die Höhe einer Preissteigerung, sondern auch das gesamte Preisgefüge.
Zur Preisgestaltung von Energieversorgungsunternehmen entschied daher auch schon der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 02.10.1991 (abgedruckt in NJW-RR 1992 Seite 183–186), dass die Substantiierung der Billigkeit einer Preisbestimmung regelmäßig eine Offenlegung der Preiskalkulation durch den Energielieferanten erfordert.
Der BGH stellte weiter fest, dass für Verträge der leitungsgebundenen Energieversorgung (Strom, Gas und Fernwärme) der das gesamte Energiewirtschaftsrecht beherrschende Grundsatz berücksichtigt werden muss, dass die Energieversorgung – unter Beachtung der Anforderungen an die Sicherheit der Versorgung – so preisgünstig wie möglich zu gestalten ist.
Er führte weiter aus, dass das Prinzip der möglichst preisgünstigen Energieversorgung nur dann eingehalten wird, wenn sich die Preise an den Kosten der Erzeugung, der Weiterleitung sowie an der Erzielung eines Gewinnes orientieren, der in angemessenem Umfang die Bildung von Rücklagen, die Vornahme von Investitionen und die Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals erlauben.
Eine solche Überprüfung ist nach der BGH-Rechtsprechung jedoch nur dann möglich, wenn die Preiskalkulation offen gelegt wird. Hierzu zählen insbesondere die Verträge mit Vorlieferanten, von denen beispielsweise die Stadtwerke Dinslaken ihr Erdgas beziehen.
Es ist daher zu befürchten, dass ein rechtlicher Systembruch stattfindet, wenn der BGH ganze Preisbestandteile bei der Überprüfung nach § 315 BGB ausklammert oder sich schlicht nicht für zuständig hält, die Billigkeit entsprechend zu prüfen.
Letzteres würde dazu führen, dass die bereits seit 100 Jahren bestehende rechtliche Überprüfungsmöglichkeit gemäß § 315 Abs. 3 BGB ad absurdum geführt würde.
Es überzeugt nicht, wenn der BGH damit argumentiert, dass gegenüber Konkurrenzunternehmen ein gesteigertes Bedürfnis bestehe, die Gasbezugskonditionen geheim zu halten, denn im interessierenden Zeitraum bestand ein Monopolstatus.
Sollte der BGH daher eine Entscheidung treffen, wie er sie in der mündlichen Verhandlung hat anklingen lassen, so würde das Instrument der zivilrechtlichen Preiskontrolle bei Monopolunternehmen und sonstigen marktbeherrschenden Unternehmen soweit ausgehöhlt, dass nichts mehr davon übrig bliebe.