Kartellamt will gegen Ölmultis vorgehen
Stand: 04.04.2012
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa | AFP
Berlin/Frankfurt - Öl wird immer knapper, der Preis steigt immer weiter und bei der Abkehr vom schwarzen Gold tut sich wenig. Nun will das Kartellamt mit der Einleitung eines Wettbewerbsverfahrens gegen die fünf großen Mineralölkonzerne in Deutschland vorgehen.
In einem ersten Schritt seien den Unternehmen BP, Esso, Jet, Shell und Total förmliche Auskunftsersuchen zugestellt worden, mit denen das Kartellamt zusätzliche Informationen verlangt, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" vom Mittwoch. "Das ist ein Beitrag, um den Wettbewerb durch die freien Tankstellen gegenüber dem Oligopol zu stärken", sagte Kartellamtspräsident Andreas Mundt der Zeitung.
Wurden unabhängige Anbieter ausgebootet?
Die Bonner Wettbewerbsbehörde geht demnach Hinweisen nach, dass das Quintett an bestimmten Tankstellen seinen Sprit systematisch unter Einstandspreis verkauft hat, um so unabhängige Anbieter auszubooten. Auch sollen die Konzerne für die Belieferung von freien Tankstellen teilweise höhere Preise verlangt haben als von den Endkunden an den eigenen Tankstellen. Vorerst werde sich das Kartellamt auf Verstöße gegen illegale Preis-Kosten-Scheren konzentrieren, sagte Mundt der Zeitung: "Das ist ein Signal an die großen Fünf, dass wir die Vorwürfe ernst nehmen".
Außenwettbewerb durch die freien Tankstellen stärken
In der Diskussion über eine Preisregulierung an den Zapfsäulen brachte der Kartellamtschef eine neue Variante ins Spiel. "Man könnte auch über Formen des westaustralischen Modells nachdenken, die nur die Oligopolmitglieder einbeziehen und so den Außenwettbewerb durch die freien Tankstellen stärken", sagte er. Die konzernunabhängigen Anbieter könnten dann jederzeit auf die Preise der großen Fünf reagieren, während diese jeweils am Vortag einer behördlichen Stelle ihre Preise für den nächsten Tag mitteilen müssten.
Doch bringt das etwas? Bisher blieb es oft bei Ankündigungen. Preise einzufrieren oder eine "Spritpreispolizei" würden eher dazu führen, dass "die Spritpreise höher als niedriger sind", so Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilforschung an der Universität Duisburg-Essen. Die einzige echte Preisbremse wäre, dass nicht wie bisher von den 42,9 Millionen Autos in Deutschlands 98,6 Prozent Benzin- oder Diesel-Pkw sind. "Nur mit mehr alternativen Antrieben kommen wir aus dieser Situation", sagt Dudenhöffer.
Grüne sind gegen eine höhere Pendlerpauschale
Auch die Grünen machen sich für neue Wege und spritsparendere Modelle stark. Sie halten nichts von einer höheren Pendlerpauschale, die derzeit bei Politikern von Union und FDP hoch im Kurs steht. "Weg vom Öl" lautet der Slogan. Zumal eine höhere Pauschale durch neue Preisrunden an der Zapfsäule rasch wieder aufgefressen werden könnte. Denn statt 50 US-Dollar wie noch vor wenigen Jahren kostet ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent derzeit bereits 125 Dollar.
Autofahrer denken um: Carsharing und Mitfahrzentralen immer beliebter
Viele Bürger in Deutschland steigen nun häufiger um: Carsharing nimmt zu, Mitfahrzentralen berichten von einem 25-Prozent-Plus und mit 10,9 Milliarden Fahrten gab es 2011 einen Rekord bei Bussen und Bahnen. Die Pauschale deckt schon lange nicht mehr auch nur annähernd die Kosten für diejenigen, die mit dem Auto zur Arbeit fahren. Sollte sie die gleiche Entlastung wie noch 1991 bringen, müsste sie nach einer Bundestagsuntersuchung 74 statt 30 Cent betragen.
5 bis 10 Cent mehr würden das Preisproblem kaum lösen. Interessant ist, dass sich plötzlich Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU), der in Nordrhein-Westfalen am 13. Mai die Macht erobern will, zum Anwalt der Autofahrer aufschwingt und trotz des Neins von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eine höhere Pendlerpauschale ins Spiel bringt.
"Wenn Vertreter von CDU/CSU und FDP oder aus Wirtschaftsverbänden wegen gestiegener Spritpreise die Entfernungspauschale anheben wollen, dann ist dies nichts als Populismus", sagt Hubert Weiger, Vorsitzender des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Die Zeit billigen Öls sei vorbei, für die Umwelt und für alle werde es immer teurer und riskanter, an die fossilen Treibstoffe zu kommen.
Bei der Abkehr vom Öl muss sich was tun
Seit 1974, als es erstmals autofreie Sonntage gab, wisse man um das Ölproblem, sagt auch Dudenhöffer. Bei der Suche nach Alternativen müsse daher etwas passieren, damit die Spritpreisdebatte nicht weiter zu Ostern gehöre wie der Hase. In Deutschland fahren erst 531 000 Autos mit Flüssig- oder Erdgas - die globalen Gasvorräte sind weit größer als die Ölreserven, zudem ist Gas klimafreundlicher. Hinzu kommen 47 640 Autos mit Hybridantrieb und nur 4540 Elektroautos. "All dies machen wir nur halbherzig bis gar nicht", sagt Dudenhöffer.
Letztlich müssen sich viele Bürger daher auch an die eigene Nase fassen, schließlich gibt es bei spritfressenden Geländelimousinen (SUV) zweistellige Zuwachsraten. Die jüngsten Anstrengungen der Autobauer für geringere CO2-Ausstöße kämen nur durch Klimaauflagen der EU zustande, betont Dudenhöffer. Demnach dürfen nur noch 130 Gramm CO2 je Kilometer ausgestoßen werden. "Plötzlich hat man kleine Motoren gebaut und ist bei Hybridantrieben vorangekommen." Am besten wäre es wohl, eine Quote einzuführen, dass Autobauer eine bestimmte Zahl an Modellen mit alternativen Betrieben bauen müssen, meint er.
Spezialist sieht die größte "Kohlerenaissance der Industriegeschichte" anbrechen
Doch weltweit ist ein Umsteuern noch nicht erkennbar, daher dürfte der Ölhunger groß bleiben, zudem ist das Biospritpotenzial begrenzt. Das hat fatale Folgen auch für die deutschen Autofahrer, denn der Preis bleibt dadurch hoch. Weltweit wird wegen knapperer Ressourcen versucht, noch so tief liegende Öl- und Gasfelder zu erschließen.
Der immer weiter steigende Öl- und Gaspreis führt nach Meinung des Chefökonomen des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, Ottmar Edenhofer, zu mehreren klimaschädlichen Effekten. So werde der Abbau der klimaschädlichen Ölsande in Kanada rentabel, wo auf einer Fläche so groß wie England Öl aus Teersänden gewonnen werden könnte. Auch die Verstromung von Kohle lohne sich wieder. "Und der dritte wichtige Effekt ist, dass Länder wie China auch in die Kohleverflüssigung investieren, also Kohle einsetzen auch im Transportsektor." Edenhofer fürchtet daher die größte "Kohlerenaissance der Industriegeschichte".