"Herausforderung statt Krise" - Ölbosse sehen steigende Ölpreise gelassen
Stand: 08.06.2008
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St. Petersburg (dpa) - Der am Freitag in New York entfachte Sturm auf dem weltweiten Erdölmarkt kam bei den im 8000 Kilometer entfernten russischen St. Petersburg versammelten Ölbossen nur als laues Lüftchen an. Die Aufregung über den blitzartigen Anstieg von elf Dollar auf den neuen Rekordpreis von 139 Dollar je Barrel ließ die Energieexperten auf einem Internationalen Wirtschaftsforum am Wochenende eher unberührt. Kein Wunder, waren doch in Petersburg die Chefs der großen Energiekonzerne ExxonMobil, Shell, BP, Chevron, ConocoPhillips und Total versammelt. Dem Ruf Russlands wollte sich keiner der Branchenstars entziehen, wenngleich sich dort schon mancher ein blaues Auge geholt hat.
ExxonMobil-Boss Rex Tillerson machte den Griff vieler Staaten weltweit auf die eigenen Energieressourcen als Gefahr aus. Ein solcher "Energie-Nationalismus" sei ein gefährlicher Isolationismus. Bekenntnisse zur Liberalisierung der eigenen Märkte wären wichtige Signale für eine Entspannung auf dem Ölmärkten. "Die Ölindustrie braucht freien Handel, Rechtssicherheit und offene Märkte", sagte Tillerson. Nur so ließen sich die Förderkapazitäten sichern.
Die aktuelle Preisspirale bereitet selbst den Ölkonzernen Sorgen. Denn mit den Preisen setzten auch die eigenen Produktionskosten zum Höhenflug an. "Ein junger Ölingenieur ist mittlerweile teurer als ein Wall-Street-Banker", berichtete der US-Wissenschaftler und Branchenkenner Daniel Yergin in St. Petersburg.
Schenkt man den Ankündigungen der Energiebosse Glauben, dürfte die Aufregung über die rasant steigenden Ölpreise bald Schnee von gestern sein. Mehrheitlich vertraten die Diskussionsteilnehmer die Überzeugung, dass die Preise in den kommenden Jahren wieder deutlich sinken werden. In einer anonymen Umfrage tippten die Großen der Branche auf einen Preis von 70 bis 100 Dollar je Barrel Öl im Jahr 2010.
Emotionaler wurde die Diskussion der Energiegrößen erst, als die Sprache auf den Umgang des Gastgebers Russland mit ausländischen Investitionen kam. Solidarisch sprangen die Energiebosse ihrem in Bedrängnis geratenen BP-Kollegen Hayward bei. Das BP- Tochterunternehmen in Russland, TNK-BP, verspürt massiven Druck der russischen Behörden. TNK-BP dürfte nach Experteneinschätzung zur Kooperation mit vom Kreml kontrollierten Konkurrenten wie Gazprom oder Rosneft gezwungen werden.
Andere Energiekonzerne wie Shell oder ExxonMobil haben die Kontrolle über Förderprojekte längst an russische Konkurrenten abtreten müssen. "Es gibt kein Vertrauen in das russische Rechtssystem", beklagte ExxonMobil-Chef Tillerson. Doch darin erschöpfte sich auch schon die direkte Kritik an den Verhältnissen in Russland. Die Konzernchefs kehrten einhellig nach Russland zurück. Denn die Ressourcen im Riesenreich sind zu verlockend. Selbst als Minderheitsaktionäre versprechen sich die westlichen Energieunternehmen noch gute Geschäfte im Land.