Heftige Debatte um Kopplung der Gaspreise an Ölpreis entbrannt
Stand: 07.09.2005
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Berlin/Bonn/New York (dpa) - Die Gasversorger in Deutschland geraten unter Druck: Mit Blick auf die steigenden Gasrechnungen der Verbraucher hat Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die seit Jahrzehnten übliche Koppelung an die Ölpreise in Frage gestellt. "Es wird zu fragen sein, ob die Bindung der Ölpreise an die Gaspreise unter den jetzigen Bedingungen wirklich gerechtfertigt ist", sagte Schröder am Mittwoch im Bundestag. In Deutschland nutzen 53 Prozent der 39,1 Millionen Haushalte Gas zum Heizen und Kochen.
Nach Darstellung des Bundes der Energieverbraucher ist die Preisbindung eine Einbahnstrasse zu Ungunsten der Gaskunden. Der Vorsitzende des Bundes, Aribert Peters, kritisierte, dass die Gaspreise zwar mit den Ölpreisen stiegen. "Aber wenn die Ölpreise sinken, dann werden die Gaspreise nicht nach unten angepasst", sagte er in einem dpa-Gespräch. Insofern seien die Gaspreise gar nicht wirklich an die Ölpreise gekoppelt. "Das ist eine sehr willkürliche Preisbildung". Derzeit gebe eine Familie in Deutschland etwa acht bis zwölf Prozent ihres Budgets für Energie aus.
Allerdings dämpfte Peters Hoffnungen, dass die Energiepreise jemals wieder deutlich sinken könnten. Die Reserven schrumpften, während der weltweite Verbrauch gewaltig ansteige. "Es ist unausweichlich, dass die Preise in dramatische Höhen steigen werden."
Aus Branchensicht würde ein Ende der Preisbindung keine Entlastung der Verbraucher bringen. "Auch ohne diese Bindung würden die Gaspreise steigen", sagte ein Sprecher Bundesverbands der deutschen Gas- und Wasserwirtschaft der dpa in Berlin. "Bei der Energie ist das Öl eine Leitwährung." In Grossbritannien etwa stiegen die Gaspreise deutlich, obwohl es keine Ölpreisbindung gebe. Die Kopplung existiert in Deutschland bereits seit den 60er Jahren. Der Ölpreis schlägt mit einer Verzögerung von sechs Monaten statistisch geglättet auf den Erdgaspreis durch.
Die Gaswirtschaft steht in diesen Tagen vor einer historischen Milliardeninvestition: Die deutschen Konzerne E.ON und BASF mit ihren Töchtern Wintershall und Ruhrgas werden gemeinsam mit dem russischen Gasförderer Gasprom eine neue Ostsee-Pipeline von Russland nach Deutschland bauen. Die Verträge sollen am Donnerstag beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Berlin unterzeichnet werden. Die Kosten des Projekts werden mit rund 4 Milliarden Euro beziffert. Das Gas für die neue Pipeline soll aus dem Gasfeld Juschno-Russkoje stammen, dessen Vorräte auf 700 Milliarden Kubikmeter Erdgas geschätzt werden.
Unterdessen hat sich die Lage an den internationalen Ölmärkten am Mittwoch weiter leicht entspannt. Marktbeobachter verwiesen auf die Aktion der Internationalen Energie-Agentur IEA in Paris, die innerhalb eines Monats 60 Millionen Barrel Öl und Mineralölprodukte aus den Strategischen Reserven der Teilnehmerländer bereitstellen will. Vor allem die Ankündigung europäischer Produktlieferungen nach den USA wirkten als Preisbremse.
Der Rohölpreis zur Oktober-Auslieferung fiel am Mittwoch im elektronischen Handel am New Yorker Warenterminmarkt um 0,35 Prozent auf 65,73 Dollar je Barrel. Rohöl hatte am 30. August einen Rekordpreis von 70,85 Dollar erreicht. Seither hat es einen Preisrückgang von 7,5 Prozent gegeben. Aktuell half auch die Ankündigung der amerikanischen Energieinformationsbehörde, dass die Stromversorgung zu einigen von Hurrikan "Katrina" betroffenen Raffinerien wieder hergestellt sei und andere dies innerhalb von Wochenfrist erwarten könnten. Einige Raffinerien würden in den kommenden ein bis zwei Tagen wieder die Produktion aufnehmen.