Moskau/Berlin - Trotz der Androhung eines Lieferstopps für die Ukraine hat der russische Gaskonzern Gazprom versichert, dass Europa nicht mit Lieferausfällen rechnen muss. "Solche Ängste sind unnötig, das will ich ausdrücklich betonen", sagte der Gazprom-Chef Alexej Miller dem "Handelsblatt" (Montagsausgabe). Ein Sprecher des Staatskonzerns, Sergej Kuprijanow, hatte am Samstag laut der Nachrichtenagentur Interfax erklärt, Gazprom werde die Lieferungen für die Ukraine ab dem 1. Januar 2009 einstellen, sofern kein neuer Vertrag unterzeichnet sei. Die Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine würden von einer großen Schuldenlast aufgehalten.
"Unabhängig vom Ergebnis der Gasverhandlungen mit der Ukraine garantiert Gazprom den europäischen Kunden eine zuverlässige
Gasversorgung. Allen Lieferverpflichtungen werden wir nachkommen", sagte der Gazprom-Chef weiter.
Auch die Ukraine, durch die eine der Versorgungsrouten für Westeuropa führt, habe Gazprom mehrmals versichert, dass es alle Transitverpflichtungen einhalten wolle - unabhängig vom Ergebnis der Verhandlungen über die Belieferung ukrainischer Kunden. Zuvor hatte Russlands Präsident Dmitri Medwedew die Ukraine aufgefordert, 1,9 Milliarden Euro Schulden bei Gazprom zu begleichen.
Miller bestätigte allerdings, dass es wie in den Vorjahren ernste Probleme mit der Ukraine gebe. "Der Grund besteht darin, dass die Ukraine ihre riesigen Außenschulden zu Beginn der kalten Jahreszeit nicht beglichen und auch keine Angebote für eine spätere Bezahlung eingereicht hat", kritisierte Miller. Die ukrainischen Außenstände beliefen sich zurzeit auf etwa 2,4 Milliarden Dollar.
Zugleich wies Miller scharf den Vorwurf zurück,
Gas werde von Russland als "politische Waffe" eingesetzt. Mit der Ukraine habe sein Unternehmen das ganze Jahr über Verhandlungen geführt. "Dabei hat Gazprom nicht nur zugesagt, die Ukraine mit 7,5 Milliarden Kubikmetern
Erdgas im Jahr zu beliefern." Zudem habe der Konzern die angekündigte Anhebung der Preise auf internationales Marktniveau auf 2011 verschoben. Am 2. Oktober sei eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet worden. Doch die unterschriftsreifen Verträge könnten nicht unterzeichnet werden, weil sich die Ukraine weigere, die Schulden zu begleichen.
Es gebe im Westen die Tendenz, die Produzentenländer, "besonders die Gasförderer, zu dämonisieren", kritisierte Miller. Dabei habe Gazprom in den vergangenen Jahrzehnten seine Lieferverpflichtungen immer eingehalten.
Ein früherer Streit zwischen den beiden Ländern über die
Gaspreise hatte im Januar 2006 zu einer kurzen Unterbrechung der Lieferungen für eine Reihe europäischer Länder geführt. Der Großteil der Gasimporte der EU aus Russland wird durch die Ukraine gepumpt. Die "volle und bedingungslose Tilgung der ausstehenden Schulden durch die Ukraine" sei im Oktober zwischen Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin und der ukrainischen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko vereinbart worden, sagte Gazprom-Sprecher Kuprijanow. "Dies ist noch nicht geschehen."
Das ukrainische staatliche Gasunternehmen Naftogaz hatte nach Medwedews Forderung angegeben, dass es keine Schulden bei Gazprom habe. Es schulde stattdessen dem Zwischenhändler RosUkrEnergo eine Milliarde Euro.