Gasprom-Vize: "Die Ära des billigen Gases ist vorbei"
Stand: 28.12.2005
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Moskau (dpa) - Der russische Gaskonzern Gasprom schließt bei einer Eskalation des Streits mit der Ukraine um Gaspreise Engpässe in der Versorgung Deutschlands nicht aus. "Das hängt aber nicht von uns ab", sagte der für Gasexporte zuständige Vize-Vorstandsvorsitzende von Gasprom, Alexander Medwedew, im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) am Mittwoch in Moskau. Es sei an der Ukraine, Lieferprobleme in Westeuropa zu vermeiden. Die bisherigen "Neutralitätserklärungen" der Europäer in dieser Frage erschienen ihm merkwürdig. Die Ukraine müsse einsehen, was "Marktbeziehungen in Aktion" seien.
Gasprom will den Preis für Gaslieferungen an die Ukraine von 50 auf 230 US-Dollar (194 Euro) für 1000 Kubikmeter Erdgas heraufsetzen. Kiew droht damit, aus dem russischen Gas für Westeuropa 15 Prozent abzuzweigen. Gasprom-Gas wird 2006 in Deutschland etwa 250 Dollar kosten.
Die weltweit steigende Nachfrage nach Erdgas rechtfertige höhere Preise, sagte Medwedew: "Die Ära des billigen Gases ist vorbei." Bei den Verbrauchern konkurriere Erdgas mit anderen Energieträgern. "Gas sieht dabei nicht schlecht aus." Wenn es in Deutschland Klagen über zu hohe Gaspreise gebe, sollte beispielsweise der Staat die Steuern darauf senken.
Die neue ukrainische Führung von Präsident Viktor Juschtschenko habe selbst den Übergang zu marktwirtschaftlichen Beziehungen vorgeschlagen, meinte Medwedew im Hinblick auf die fast fünffache Preisforderung. "Jetzt sollten die Politiker auch für ihre Worte gerade stehen."
Kiew verletze die Europäische Energiecharta, indem es seinen eigenen Gasbezug und die Durchleitung nach Westen weiterhin verknüpfe. Zudem verbrauche die Ukraine mehr Gas pro Kopf der Bevölkerung als jedes andere Land in Europa, dabei seien die Verbraucherpreise niedriger als in Russland.
Hintergrund: Gasprom - größter Gasproduzent der Welt mit Drang nach Westen
Der weltweit größte Erdgasproduzent Gasprom gilt in Russland als Staat im Staate. Beim Gasgiganten steht ein Heer von etwa 300 000 Menschen auf der Gehaltsliste. Gasprom leistet sich eine Hausbank, eine eigene Fluggesellschaft sowie einen landesweit ausstrahlenden Fernsehsender. Ein Sechstel der weltweit nachgewiesenen Gasvorkommen lagert bei Gasprom. Der Konzern beziffert seine Vorräte auf einen Wert von 70 Milliarden Euro. Im russischen Budget stammt jeder vierte Rubel von Gasprom.
Der russische Präsident Wladimir Putin hat mit dem Konzern "Gasowaja Promyschlennost" (Gasindustrie, kurz: Gasprom) Großes vor. Seit kurzem hält der Staat wieder die Kontrollmehrheit am Unternehmen. Im russischen Erdölsektor soll Gasprom ebenfalls durch Zukäufe die Nummer 1 werden. Doch der Kreml will noch mehr: Mit der Ostsee-Pipeline Richtung Deutschland soll der russische Konzern Zugriff auf die Versorgungsnetze in Westeuropa bekommen, um seine Vormachtstellung weiter auszubauen.
Obwohl Gasprom jährlich etwa 140 Milliarden Kubikmeter Gas zu Weltmarktpreisen an den Westen verkauft, steht der Energieriese tief in der Kreide. Der Konzern gibt den garantierten Niedrigpreisen für Energie in Russland die Schuld. Minderheitsaktionäre prangern dagegen Vetternwirtschaft und Unterschlagung im Konzern an.
Der Großkonzern ging aus dem sowjetischen Energieministerium hervor. Bis zum Amtsantritt Putins im Jahr 2000 hatte der ehemalige Vize-Gasminister Rem Wjachirew das Sagen. Putin machte dann seinen treuen Gefolgsmann aus St. Petersburger Zeiten, Alexej Miller, zum Vorstandsvorsitzenden.
Deutschland ist seit Jahrzehnten wichtigster Abnehmer für Gas aus Russland. Die E.ON-Tochter Ruhrgas hält als größter ausländischer Gasprom-Aktionär einen Anteil von knapp 6,5 Prozent. Ruhrgas-Chef Burckhard Bergmann sitzt als einziger Ausländer im Aufsichtsrat von Gasprom. An der Börse ist der Konzern in der englischen Schreibweise Gazprom notiert.