Gas-Fracking: Fluch oder Segen?
Stand: 31.05.2013
Bildquelle: ©Adobe Stock / Text: dpa
Dawson Creek - Fracking gibt es schon seit mehr als 60 Jahren, doch erst in den vergangenen Jahren ist diese besondere Fördermethode auch in Deutschland zu einem massiv umstrittenen Thema geworden. Der für den Oscar nominierte Dokumentarfilm "Gasland" hat eine Frage aufgeworfen, die lange wie Gas unter der Oberfläche war, und jetzt hervorbricht: Ist Fracking ein Verbrechen an Mensch und Natur? Oder ein Stück moderne Technologie?
DIE TECHNIK
Beim Fracking wird kilometertief in die Erde gebohrt - und dann noch einmal horizontal, zuweilen sechs Kilometer weit. In die Kanäle wird ein Chemiecocktail gepresst, der den Boden aufreißt. Sand in der Flüssigkeit sorgt dafür, dass sich die Risse nicht wieder schließen. Durch sie treten das Erdgas - oder andere Rohstoffe - aus, die dann wie üblich gefördert werden können.
DIE SZENERIE
Im kanadischen Dawson Creek stand erst ein Bohrturm, 50 Meter hoch. Danach kam das eigentliche Fracking: Sechs gewaltige Trucks stehen dicht nebeneinander und pumpen die Lauge in die Bohrlöcher, 100.000 Kubikmeter pro Bohrfeld. Man versteht sein eigenes Wort nicht, aber die Arbeiter schauen fast gelangweilt auf die Messinstrumente. Ihre Schichten sind hart, der Lohn sind 70.000 bis 140.000 Euro im Jahr. Sind sie weg, ist auch der Lärm weg. Dann soll das Gas 20, 30 Jahre leise aus der Erde in die Pipelines steigen.
DER GEGNER
Don Vander Velde ist 68 Jahre alt. Sein ganzes Leben hat er auf dem Land in Alberta, Kanada, gelebt, das seiner Familie seit 1904 gehört. Seit einem Jahrzehnt wird in der Nähe gefrackt. "Manchmal bebt der Boden", sagt der Farmer. "Und was für Chemikalien kommen da rein?" Don ist beunruhigt, weil er Kinder, Enkelkinder und eine Urenkelin hat. Die kleine Aspen ist zehn Monate. "Ich bin alt, aber ich möchte nicht ihre Zukunft verspielen." Dabei habe er nichts gegen die Förderung. "Ich will auch Energie. Alberta braucht das Gas, so wie es uns Farmer braucht. Also fördert! Aber macht es sicher!"
DAS UNTERNEHMEN
Encana ist ein Fracking-Riese und Kellen Foreman ist seit elf Jahren dabei. "Wir wollen Transparenz", beteuert der 29-Jährige. Deshalb würden für Millionen Dollar Zehntausende Wasserproben untersucht. "Und bei nicht einer einzigen ist irgendwo in Kanada eine Verunreinigung des Trinkwassers nachgewiesen worden." Und die Erschütterungen? Nur mit feinen Instrumenten messbar. Er könne die Sorgen der Menschen völlig verstehen. "Aber es steckt eine Menge Wissenschaft hinter Fracking. Wir sind keine Cowboys, die da rausgehen und die Erde aufwühlen. Das ist Hochtechnologie."
DIE POLITIKERIN
Hannelore Kraft ist 8000 Kilometer weit gereist, um sich selbst ein Bild zu machen. Mit rotem Overall und weißem Helm steht die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen im Matsch von Dawson Creek in der Wildnis Kanadas, spricht mit den Arbeitern, untersucht die Bohrköpfe und befühlt die Chemielauge, die verpresst wird. "Ich kann mir das im Münsterland nicht so recht vorstellen", sagt sie. Kraft ist beeindruckt, das merkt man ihr an. Auch von der Offenheit der Arbeiter und der Bohrfirma - in den Augen vieler doch "die Bösen". Aber in Deutschland, das mehr als doppelt so viele Einwohner auf einem Dreißigstel der Fläche hat? "Es ist noch nicht reif, das zu entscheiden."
DIE DEUTSCHE DISKUSSION
Die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin würde gerne noch vor der Bundestagswahl eine gesetzliche Regelung zum Fracking auf den Weg bringen. Doch selbst in den Regierungsfraktionen - insbesondere in der Union - gibt es erheblichen Widerstand, so dass eine Befassung des Kabinetts mehrmals verschoben und der Regierungsentwurf wiederholt verschärft wurde. Deutliche Vorbehalte gegen den Entwurf gibt es auch in den Ländern - nicht nur in denen mit rot-grüner Regierung wie der von Hannelore Kraft. Das CSU/FDP-geführte Bayern will die Technologie erst zulassen, wenn alle Risiken geklärt sind. Die deutschen Mineralbrunnen und Bierbrauer warnen ebenfalls vor den Risiken. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) sagt nun: "Wir müssen alles tun, damit wir Umweltrisiken nicht eingehen."
DER WISSENSCHAFTLER
Uwe Schneidewind ist einer der wenigen Fracking-Experten in Deutschland. Der Präsident des Wuppertal Instituts für Klima, Umwelt und Energie sieht vier Punkte zur Beurteilung von Fracking: klimapolitisch ("Unkonventionelle Kohlenstoffvorkommen möglichst nicht anrühren"), volkswirtschaftlich (Arbeitsplatzeffekt beschränkt, Gaspreis sinkt nicht nachhaltig), geostrategisch (Abhängigkeit sinkt, bleibt aber bestehen), ökologisch (nicht wirklich attraktiv).
DER FILM
"Gasland" war ein Welterfolg. Der Dokumentarfilm von Josh Fox von 2010 hat das Thema Fracking für eine breite Öffentlichkeit auf die Tagesordnung gesetzt. In der Schlüsselszene wird ein Wasserhahn aufgedreht und das Wasser angezündet - es brennt. Scharfe Kritik kam von der Branche, aber auch von einem Kollegen.
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