EU-Kommission: Europa würde Gas-Lieferstopp überstehen
Stand: 17.10.2014
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Brüssel - Würde Russland den Gashahn zudrehen, müsste Europa trotz Engpass auch im Winter nicht frieren. Doch die Länder sollten laut EU-Kommission eng zusammenhalten, um besonders die Staaten in Osteuropa zu schützen. Das ist das Ergebnis einer Analyse, die Energiekommissar Günther Oettinger am Donnerstag in Brüssel vorgestellt hat.
Vor dem Hintergrund der kriselnden Beziehungen zu Europas wichtigstem Gaslieferanten haben die Autoren untersucht, was ein sechsmonatiger Lieferstopp über den Winter in Europa auslösen würde. Das Ergebnis: Die Bürger müssen nicht frieren - wenn die Staaten zusammenhalten. Mit dem Papier soll sich auch der EU-Gipfel kommende Woche beschäftigen.
Offener europäischer Binnenmarkt sichert ab
Wenn Russland den Gashahn zudrehte, würden Europa am Ende bis zu neun Milliarden Kubikmeter an Gas fehlen, so die Analyse. Das entspricht etwa drei Prozent des Gasverbrauchs. Als Rezept empfiehlt der EU-Kommissar einen offenen europäischen Binnenmarkt für Gas. "Der höhere Preis schafft den besten Anreiz zur Versorgung, wo immer es in der Europäischen Union nötig ist", sagte er. Solange die Staaten sich nicht abschotteten, würde steigende Nachfrage mit höheren Preisen dafür sorgen, dass das Gas dorthin fließt, wo es am dringendsten gebraucht wird. Hinzu kommen alternative Energiequellen wie etwa Flüssiggas, das allerdings teuer importiert werden müsste. Die Auswirkungen höherer Preise auf Haushalte oder Wirtschaft hat die Brüsseler Behörde nicht untersucht.
Falls es eng wird, sollte der Studie zufolge zuerst die Industrie ihren Gasverbrauch drosseln. Erst an letzter Stelle wären besonders verletzliche Verbraucher betroffen, die aber jeder EU-Staat anders definiert. Laut EU-Kommission gehören in jedem Land Endverbraucher dazu, in einigen auch Krankenhäuser oder ähnliche Einrichtungen. Laut durchgespielten Szenarien müssten nur Verbraucher in Estland einen kalten Winter fürchten - und nur, falls die EU-Staaten ihre nationalen Märkte gegen den Rat aus Brüssel abschotten.
Gasspeicher gut gefüllt
Die Gasspeicher der EU sind derzeit zu etwa 90 Prozent gefüllt. Die Staaten sind verpflichtet, Vorräte für etwa 30 Tage für verwundbare Verbraucher vorzuhalten. Als dies vor einigen Jahren vereinbart wurde, habe die EU-Kommission auf einen höheren Wert von 50 oder 60 Tagen gepocht, merkte Oettinger an. "Ich bin sicher, dass die Mitgliedsstaaten heute klüger sind als (...) vor vier Jahren und einen höheren Wert akzeptieren."
Für das Papier haben die 28 EU-Länder sowie 10 benachbarte Staaten Analysen dazu beigesteuert, wie sich eine verminderte Gasversorgung und insbesondere ein russischer Lieferstopp bei ihnen auswirken würden. Derzeit importiert die EU nach Angaben der EU-Kommission mehr als die Hälfte (53 Prozent) ihrer Energie. Insgesamt 90 Prozent ihres Ölverbrauchs muss die EU einführen, beim Gas sind es 66 Prozent.
Gasstreit zwischen Ukraine und Russland setzt sich fort
Im Gasstreit zwischen der Ukraine und Russland hofft Oettinger derweil auf eine baldige Lösung. "Ich bin verhalten optimistisch", sagte er. "Ich glaube, dass aufgrund unserer intensiven Vorarbeit (...) ein Winterpaket für die Sicherheit unserer Versorgung erreichbar sein müsste." Kremlchef Wladimir Putin sagte bei einem Besuch in Serbien russischen Agenturen zufolge, er rechne mit einer raschen Einigung im Gasstreit.
Die Ukraine bekommt wegen unbezahlter Rechnungen seit Juni kein Gas aus Russland mehr und deckt sich zum Ärger Moskaus über Umwege bei Nachbarländern mit Gas ein. Russland droht deshalb auch Europa mit einem Lieferstopp. Nach Angaben Oettingers sollen die Gespräche am Dienstag in Brüssel stattfinden.